Meine Spur löscht der Fluß
kamen. Auch die weißen Kinder schossen aufeinander, und manche fielen um, tot. Das erstemal, als er das vor einigen Tagen gesehen hatte, war er hinzugestürzt, entsetzt und zutiefst erschrocken, daß schon die weißen Kinder töteten, aber als das »tote« Kind die Augen auf schlug und den »Wilden«, der nichts als helfen wollte, über sich sah, erschrak es derart, daß es um Hilfe schreiend Hals über Kopf davonstürzte.
Ishi begriff das nicht, oder besser gesagt, er begriff es noch nicht. Das Kind hatte sich vor den weißen Kindern, die schossen, nicht gefürchtet, vor ihm aber, der keine Waffe trug, schon. Heute erschrak er nicht mehr, wenn die Kinder aufeinander schossen. Es stimmte ihn nur traurig. Sie üben, sagte er sich, sie üben, um später auf Indianer zu schießen.
Im Museum wurde er sofort gebraucht. Und zwar von Professor Kroeber, dem mudjaupa.
Kroeber versuchte Ishi klarzumachen, daß ein Fest bevorstand. Es ging um das Haus, und es würden viele, viele Leute kommen...
»Hansi saltu?«
Kroeber nickte. Viele andere, viele Nichtindianer. Und alle gleichzeitig. Oh, es war richtig schwer, Ishi klarzumachen, was ihm bevorstand. Ishi sollte nämlich beim Empfang dabeisein und viele Leute kennenlernen. Die Leute würden bei der Tür unten hereinkommen, und am Eingang zur Aula sollte auch er in der Empfangsreihe stehen, mit dem Präsidenten der Universität, Benjamin Ide Wheeler, und mit Mrs. Phoebe Apperson Hearst, der eigentlichen Gründerin des Museums. Ob er auch in dieser Reihe stehen wolle ?
Ishis angestrengtes Bemühen, Kroeber zu verstehen, war zu erkennen, jedoch was Kroeber ihm geschildert hatte, war für ihn so unvorstellbar, daß Kroeber ihm zunickte, daß es gut sei, er würde ihn nicht weiter belästigen.
Gerade als Ishi gehen wollte, stürzte nach kurzem Anklopfen ein beleibter, untersetzter Mann herein, der von der >California Motion Picture Corporation< kam. Er lief auf den Professor zu und fragte ziemlich laut: »Professor Kroeber? Wir haben telefoniert. Sie wissen doch. Mein Name ist Brown. Es geht um Ihren letzten wilden Indianer. «
Kroeber schien sich den Mann von C.M.P.C. etwas anders vorgestellt zu haben, denn er brauchte einige Zeit, bis er sich an das Gespräch entsann. Dann stellte er dem offensichtlich rastlosen Mr. Brown Mr. Ishi vor.
Der Filmmann schoß auf Ishi zu und schüttelte ihm die Hand, als wolle er sie niemals wieder loslassen oder als verwechsle er seinen Arm mit einem Pumpenschwengel. Ishi stand sichtlich erschrocken, ja entsetzt da und überließ den rechten Arm willenlos dem Fremden.
Als Mr. Brown losgelassen hatte, dachte Kroeber einen Augenblick lang, Ishis rechtes Schultergelenk sei ausgerenkt, weil er den Arm weiterhin in einem bestimmten Winkel vom Körper hielt, und er zeige nur deshalb kein Anzeichen von Schmerz, weil er den Fremden nicht bloßstellen wolle. Er atmete erleichtert auf, als Ishi endlich den rechten Arm sinken ließ und die Hände vor sich verschränkte.
»Es sollte ein wissenschaftlicher Film werden, Sie erinnern sich doch, Professor. Die Fertigkeiten verschiedenster Art, die ein Ureinwohner Amerikas beherrscht, sollten gezeigt werden.«
»Ich weiß, ich erinnere mich jetzt wieder. Natürlich. Aber Sie können unmöglich vor unserer Eröffnung zu drehen beginnen. Erst nachher. Mr. Ishi muß erst einmal ein bißchen zur Ruhe kommen. Ich melde mich, wenn ich den Zeitpunkt für richtig finde.«
»Einverstanden, aber nicht zu spät, Professor.« So schnell, wie er hereingestürzt war, war der dickliche Mann auch wieder draußen.
Ishi sah ihm nach, schickte einen fragenden Blick zu Professor Kroeber und betrachtete dann lange und eingehend jeden einzelnen Finger seiner rechten Hand.
Kroeber war es, als zählte er sie. Und als er fand, daß alle noch da waren und keiner verletzt war, strahlte er und ging.
Später kam Waterman zu Kroeber herein. Er war von Berkeley herübergekommen, um wieder einmal nach Ishi zu sehen. Ob es mit Ishi und Batwi gutging?
»Es gibt keinen Streit zwischen den beiden, weil Ishi zu gut erzogen ist«, antwortete Kroeber, »aber das ist im Augenblick gar nicht so sehr das Problem.«
»Hat er genug zu essen?«
»Ja, auch das. Ab und zu geht er mit Batwi zum Lunch, und er war auch schon bei uns daheim zum Essen.«
»Was sagen Sie zu seinem Benehmen?«
»Perfekt. Meine Frau hat ihn sehr gelobt. Für die Kinder war er allerdings zunächst eine Enttäuschung, sie hatten sich offensichtlich beträchtlich mehr
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