Meine Spur löscht der Fluß
Wildheit erhofft. Ja, und ab und zu geht er auch ins Krankenhaus hinüber. Er hält sich gern in der Küche auf und guckt in die Töpfe. Der Verwalter sagte mir, er habe das Gefühl, daß er den Köchinnen Ratschläge gebe, wie sie besser kochen könnten oder richtiger. Zum Glück verstehen die robusten Damen das nicht. Ganz besonders soll ihn die Diätküche interessieren. Wahrscheinlich erkennt er ihren besonderen Stellenwert. «
»Man müßte ihn viel mehr ausfragen. Ich glaube, wir kämen auf ganz überraschende Dinge.«
»Kommen wir noch«, beruhigte ihn Kroeber, »im Augenblick geht es um den Empfang. Wo geben wir Ishi hin?«
»Stecken Sie ihn in einen Käfig«, scherzte Waterman, »damit niemand an ihn rankommt. Wenn ich da an einige der Frauen der Kuratoriumsmitglieder denke, die sicherlich bei Ishi das Gruseln lernen wollen. Ich hab’ beinahe ein bißchen Angst um ihn.«
»Erst vorhin ist er von einem Filmmenschen überschwenglich begrüßt worden. Der Mann merkte nicht, wie entsetzt Ishi über sein heftiges Händeschütteln war. Ich hätte von mir aus keine Bedenken, Ishi mit in die Empfangsreihe zu stellen, nur...«
»Tun Sie’s nicht«, bat Waterman, »er ist noch zu wenig lange hier. Er ist die Freundlichkeit der Weißen nicht gewohnt, ich würde ihn in einem kleineren Nebenraum unterbringen, von dem aus er freien Blick zum Empfangskomitee hat. Da kann er sich dann nach Herzenslust vergnügen, wenn er zusieht, wie komisch und uniform wir Weißen einander begrüßen. Sie können dann ja immer noch den einen oder anderen zu Ishi bringen. Wir geben ihm damit das Gefühl, daß er etwas Besonderes ist, der nicht für jedermann zum Händedruck bereitsteht.«
Kroeber bat Waterman, Ishi den Empfang und das ganze damit verbundene Zeremoniell zu erklären. Waterman fand Ishi im zweiten Stockwerk, wo er gerade mit Hingabe und Lust Türklinken und -beschläge aus Messing putzte, offenbar so lange, bis sich sein Gesicht darin spiegelte.
»Ishi!« rief Waterman, »komm, alter Bursche, wir sehen uns das Haus unten an.«
Aber so schnell ließ sich Ishi nicht von seiner Arbeit abbringen, er wollte seine Leistungen gewürdigt sehen. Er deutete auf das blanke Messing, und erst als Waterman ihn lobte, stellte er das Putzen ein.
Unten spielte Waterman Ishi den Empfang vor. Er zeigte, wie die Leute die Treppe heraufkommen würden, immer mit anderen Schritten und in anderer Haltung, er schleppte sich hoch und stöhnte, er kam mit wiegenden Hüften herauf, er stampfte auf wie ein Elefant.
Ishi begriff. Watamany war immer ein anderer saltu.
Und jetzt deutete Waterman die Empfangsreihe an, den Präsidenten, Mrs. Hearst, Professor Kroeber, was Ishi ebenfalls köstlich fand. Und nun ging er mit Ishi in den ersten Raum links, von dem aus man sehr gut zur Empfangsreihe hinsehen konnte, wenn man den entsprechenden Platz bezog, von hier aus, aus der Distanz, die Ishi so liebte, konnte er wunderbar alles beobachten. Er versäumte gar nichts. Nur ab und zu würde ein saltu, von Kroeber geführt, zu ihm kommen. O. k. ?
Ishi nickte. Irgendwie schien er eine Ahnung von dem zu haben, was ihm bevorstand. Waterman ging anschließend noch mit in Ishis Zimmer und ließ sich zeigen, was er anzuziehen gedenke. Ishi wies seine besten Sachen vor. Auch die blau und grau gestreifte Krawatte. »O. k.?« fragte er jetzt und lächelte.
»O. k.«, sagte Waterman. Ob er Ishi nochmal zeigen sollte, wie er den Schlips binden mußte?
Ishi schüttelte den Kopf, das wisse er noch. In Knoten war er Spezialist. Und um Watamany nicht im unklaren zu lassen, nahm er den Schlips und schlang den Knoten.
Waterman nickte und schüttelte anschließend den Kopf. Einmal hatte er Ishi gezeigt, wie er den Knoten binden müsse. Und als er es nochmals, und zwar langsamer, wiederholen wollte, hatte Ishi abgewunken, sich die Krawatte umgelegt und gezeigt, daß er es ohnehin schon könne.
Jetzt warteten alle auf den großen Empfang, der ein großer Tag vor allem für Mrs. Hearst werden würde, aber natürlich auch für Kroeber und für Ishi. Nun ja, und wenn er es ganz genau nahm, dann auch für Waterman.
Bevor Ishi sich auf seinem Platz einfand, machte er noch einen Rundgang durch das Haus. Und da fand er im ersten Stock an einem Türbeschlag tatsächlich einen ganz frischen Fingerabdruck. Er holte sein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte den Makel weg. Dann stieg er langsam die Treppe hinunter in den großen Saal, wo jetzt lange Tische mit weißen
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