Meine Trauer geht - und du bleibst
Der Grabstein schützt die Unverletzlichkeit des besonderen Ortes und sichert mit seiner Schwere die Ruhe des Toten, der in diesem Grab weilt. Andere konkrete Orte, die der Trauernde aufsuchen kann, sind Orte, die mit früheren intensiven Erfahrungen mit dem geliebten Menschen verbunden sind.
Erinnerungen
Das, was ich mit dem geliebten Menschen erlebt habe, kann mir niemand nehmen, auch nicht der Tod. Deshalb ist der Raum der Erinnerungen einer der sichersten Orte für den Verstorbenen. Hier finden wir den geliebten Menschen immer wieder und hier können wir ihn selbst aufsuchen. Trauerarbeit ist zentral auch Erinnerungsarbeit, in der wir unsere Erinnerungen bewahren und deshalb jederzeit wachrufen können.
Eigener Körper
In unserem Körper spüren wir nicht nur die Trauer um den geliebten Menschen, sondern auch seine Nähe und seine Präsenz. Wir können ihn weiterhin in uns spüren und in uns tragen. Viele Hinterbliebene erleben, dass sie den Verstorbenen in ihrem Herzen oder in der Brustgegend tragen. Dort bleiben sie aufs engste mit ihm verbunden.
Familie
Aus der Familientherapie wissen wir, dass zum Raum der Familie auch die wichtigen Verstorbenen gehören. Im Gespräch der Familienmitglieder, im Gedenken oder in Ritualen wie einem gemeinsamen Grabbesuch wird der Verstorbene in der Familie gegenwärtig und zugleich gewürdigt. Viele Familien haben eine »Gedenkecke« im Wohnzimmer mit Fotos und anderen Andenken an den Verstorbenen. An solchen Orten des Gedenkens und des Erinnerns bleibt der geliebte Mensch in der Familie präsent.
Orte in der Natur
Viele Trauernde finden ihren geliebten Menschen in der Natur. Der Himmel, die Erde, ein Stern oder Regenbogen sind solche Orte, über die sich der Trauernde mit dem Verstorbenen verbunden weiß.
Spirituelle Orte
Trauernde suchen entsprechend ihren religiösen Vorstellungen nach außerweltlichen Orten, an denen der Verstorbene für immer und ewig gehalten ist. Das können der Himmel, die haltende Hände Gottes, das ewige Licht der Liebe oder die Unendlichkeit sein.
Immer wieder werde ich gefragt, ob der sichere Ort nur ein einziger Ort sein darf. Aus meiner Erfahrung haben Hinterbliebene mehrere sichere Orte für ihren geliebten Menschen. Unsere Seele ist mit ihren bewussten und unbewussten Räumen ein unendlich großer und vielgestaltiger Kosmos, so dass in ihr viele Orte möglich und auch notwendig sind. Sichere Orte sind in den verschiedenen Dimensionen unserer Seele und äußeren Wirklichkeitangesiedelt: Orte im Inneren und Äußeren, in der Tiefe und in der Höhe, in der erlebbaren Nähe und in der gespürten Weite. Die sicheren Orte für unseren Verstorbenen sind in zugleich konkreten und symbolischen, diesseitigen und transzendenten, gegenwärtigen und zukünftigen Aspekten der Wirklichkeit angesiedelt. In jeder dieser unterschiedlichen Dimensionen sucht unsere Seele nach einem sicheren Ort für den geliebten Menschen. Sie findet entsprechend ihrer eigenen Struktur einen oder (!) mehrere Orte im Rahmen dieser Dimensionen. Und auch das andere gilt natürlich: Wenn ich einen einzigen, sehr klaren und sicheren Ort gefunden habe, dann ist dieser einzige Ort in seiner Prägnanz für mich richtig.
Ich bin mir gewiss, dass du an deinem sicheren Ort bist – und das tröstet mich
Unsere Seele braucht einen Ort für den geliebten Menschen. Unser Gehirn ist an das räumliche Denken gebunden. Wir selbst, unser Denken und unsere Beziehungen finden immer in räumlichen Bezügen und in räumlichen Dimensionen statt. Was keinen Ort hat, hat keine Wirklichkeit und keine Realität. Wenn wir für den Verstorbenen keinen Ort finden, verliert er auch seine Existenz in unserem Denken und Fühlen. Das Wissen um einen Ort lässt unseren geliebten Menschen weiterexistieren. Der sichere Ort garantiert die Existenz des geliebten Menschen in unserem Fühlen, Denken und Imaginieren. Deshalb ist das Finden eines sicheren Ortes für die Trauerarbeit so entscheidend.
Am Beginn des Trauerweges sind es häufig die konkreten Orte, an denen Trauernde ihren geliebten Menschen finden und ihm begegnen. Zu diesen Orten können wir gehen und dort in eine Kommunikation in Form des Dialoges oder inneren Gespräches mit dem Verstorbenen eintreten. Über längere Zeit entwickeln sich daraus Gesprächs- und Kommunikationsrituale. Mit solchen Ritualen wie beispielsweise der regelmäßige Grabbesuch wird die innere Beziehung zum Verstorbenen sicher und gewisser. Der Ort selbst wird zu einem
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