Meine Trauer geht - und du bleibst
ernst in ihrer Liebe zu ihm meinen. Er lässt sich dann nicht auf Beziehungen ein oder seine Beziehungen scheitern immer wieder, weil er sich und den anderen die Liebe nicht wirklich erlaubt. Und so bestätigt sich das Lebensskript selbst immer wieder neu. Was in der Kindheit ein durchaus richtiges Lebensgefühl war, wird nun im Lebensskript als Haltung auf das ganze Leben übertragen. Das Gefühl, das das Lebensskript entstehen ließ, ist also zunächst durchaus richtig, aber im weiteren Leben führt das Lebensskript zu einer Verzerrung der Wahrnehmung und zu einer einseitig negativen Sicht der eigenen Person, der Menschen und der Welt. Das Tragische eines Lebensskripts liegt nun darin, dass es sich selbst bestätigt, indem es das Leben eines Menschen so vorprägt, dass genau das eintritt, was es selbst vorgibt.
Der Verlust eines Menschen ruft bestimmte Lebensskripte wach
Die Trauernde im obigen Dialog hat offensichtlich immer wieder schwere Schicksalsschläge in ihrem Leben erlitten. Sie hatte schon früh ihren geliebten Großvater verloren. Die Trennung ihrer Eltern war ein weiterer schwerer Verlust in ihrer Kindheit. Und nun scheint auch der frühe Tod ihres Mannes in diese Reihe der Lebenserfahrungen zu passen. Er bestätigt damit das Grundgefühl und die Grundüberzeugung »Mir stoßen immer die schlimmsten Dinge zu.« Sie denkt dann weiter: »Ich hätte es ja wissen müssen, dass das mit meinem Mann passieren wird.« Wenn wir dann genauer nachfragen, wird ein noch weitergehender Skriptsatz sichtbar: »Ich habe es nicht verdient, dass ich glücklich sein darf. Deshalb stößt mir immer das Schlimmste zu.« Hier wird nun deutlich, dass diese Frau den Tod ihres Mannes als Bestätigung ihres Minderwertigkeitsgefühls bewertet. Zwar sind die Verluste im Leben dieser Frau tatsächlich schwer, doch sagen sie nichts über den Wert dieser Frau aus.
Der Verlust eines geliebten Menschen ruft meist ganz bestimmte Lebensskripte wach und scheint sie zu bestätigen. Sehr häufig wird das Skript »Ich bin selbst schuld, dass mir das jetzt zustößt« oder das Skript »Wie immer werde ich jetzt wieder einmal bestraft« durch einen Verlust reaktiviert. Die Überzeugung der Schuld oder der Bestrafung wird uns als Kind in elterlichen Botschaften oft nahegelegt oder wir kommen als Kind selbst zu dieser Überzeugung. Bei dem Tod des geliebten Menschen gibt es meist – wenn auch noch so kleine – Versäumnisse oder ungenutzte Möglichkeiten, die vielleicht seinen Tod hätten verhindern können. Der Hinterbliebene nimmt dann dies mit seinem alten Schuld- oder Strafskript wahr, sieht sich wie immer als der Schuldige und fühlt sich wie so oft in seinem Leben bestraft. Er hat dann nicht nur den Verlust, sondern auch sein schon lange vorhandenes und nun neu verstärktes Schuldgefühl zu tragen.
Auch der Verdienstgedanke steckt in vielen durch einen Verlust aktivierten Skriptsätzen wie: »Ich habe es nicht verdient, dass es mir gut geht« oder »Mir steht es nicht zu, dass ich lange mit einemMenschen zusammenleben und glücklich werden darf.« Hier steht meist ein Minderwertigkeitsgefühl im Hintergrund. Es sagt mir, dass ich es nicht wert bin, über lange Zeit mit dem geliebten Menschen zusammen sein zu dürfen.
Frühe Erfahrungen von Verlassenwerden und Alleinsein und die dazugehörigen Lebensskripte tauchen durch den Verlust wieder auf: »Immer wieder werde ich verlassen. Niemand will bei mir bleiben« oder »Ich bin schon immer allein und jetzt erst recht.« Der Tod des geliebten Menschen ist tatsächlich eine Erfahrung des Verlassenwerdens. Das bedeutet aber nicht , wie es das Lebensskript nahelegt, dass ich zum Alleinsein lebenslang verurteilt bin oder gar dass dieses von mir verschuldet sei.
Schließlich bestätigt der Tod eines nahen Menschen häufig Skripthaltungen, in denen der Hinterbliebene das Leben, das Schicksal oder Gott als feindlich, als ungerecht und hart erlebt. Der schwere Verlust ist dann nur noch eine weitere Bestätigung für die Grausamkeit des Lebens. Solche Skriptsätze lauten dann: »Das Leben meint es nicht gut mit mir« oder »Gott ist ungerecht und böse zu mir«.
Manchmal ist es wohl tatsächlich so, dass der Verlust eine Wiederholung einer schon oft erlebten Erfahrung ist. Sicherlich ist es für die Frau im obigen Trauerdialog naheliegend, den zu frühen Tod ihres Mannes im Rahmen ihrer Lebensüberzeugungen zu verstehen. Es gibt tatsächlich Menschen, die immer wieder von denselben
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