Meine Trauer geht - und du bleibst
darf. Die Arbeit, die sie für uns und für unsere Beziehung zu unserem geliebten Menschen übernimmt, ist es, die Liebe zum Verstorbenen trotz des Verlustes stark werden zu lassen. Deshalb darf die Trauer weiter da sein, und unsere Aufgabe als Trauernde ist es, in ihr immer wieder die Liebe zum Verstorbenen zu spüren. Wir sollten sie daher immer wieder neu begrüßen und willkommen heißen, auch wenn wir dabei immer wieder den Schmerz spüren. Wenn wir unsere Trauer in ihrer Arbeit sehen und würdigen, wird sie selbst zu einer Begleiterin auf einem schweren Weg. Sie wird zu einer Weggefährtin, die uns den Weg zu unserem geliebten Menschen zeigt. Angesichts der äußeren Abwesenheit unseres geliebten Menschen kann es keine bessere und größere Aufgabe geben.
Zeigen Sie Ihrer Trauer, dass Sie sie brauchen, und sagen Sie ihr: »Ich brauche dich, damit ich den Tod meines geliebten Menschen verkraften kann und damit ich eine innere Beziehung zu ihm finde.«
Akzeptieren Sie Ihre Trauer als wichtigen Teil Ihrer selbst: »Du bist jetzt schon lange da und bist zu einer Begleiterin in meinem Verlust geworden. Du gehörst ganz zu mir und das ist gut so.«
Würdigen Sie die Arbeit Ihrer Trauer: »Du bist schon lange da und du tust ganz deine Arbeit. Du hilfst mir, die äußere Abwesenheit meines geliebten Menschen zu realisieren, und du hilfst mir, eine innere Beziehung zu ihm zu finden. Das ist gut so.«
Ehren Sie Ihre Trauer, in dem sie sich ihrer Macht beugen, wohl wissend, dass nichts anderes möglich ist und dass dies die heilsamste Haltung gegenüber der Trauer ist: »Ich respektiere dich, meine Trauer, in deiner Kraft. Ich bin bereit, mich und meinen Trauerweg dir zu überlassen.«
2. Wenn meine Trauer alte Lebensthemen wachruft
Trauernde: Der Tod meines Mannes tut nicht nur sehr weh, sondern er hat mich tief getroffen
Trauerbegleiter: Bis in Ihren innersten Kern!?
Trauernde: Ja, ich denke: Wieder einmal hat es mich erwischt.
Trauerbegleiter: Wieder einmal?
Trauernde : Mir passieren immer die schlimmsten Dinge.
Trauerbegleiter : Das scheint eine häufige Lebenserfahrung von Ihnen zu sein?
Trauernde nickt nachdenklich.
Trauerbegleiter: Und zugleich höre ich fast so etwas wie eine
Erwartung, dass Ihnen schlimme Dinge zustoßen.
Trauernde: Und der Tod meines Mannes bestätigt das nur.
Trauerbegleiter: Er scheint ein altes Lebensthema zu berühren. Wie kommt dieses Thema immer wieder vor in Ihrem Leben?
Trauernde: Das kenne ich schon seit meiner Kindheit. Mein geliebter Großvater ist schon gestorben, und dann haben sich meine Eltern getrennt.
Trauerbegleiter: Verluste und Abschiede ziehen sich wie ein roter Faden durch Ihr Leben?
Und plötzlich sind meine alten Lebensthemen da
Der Tod eines geliebten Menschen löst nicht nur intensivste Trauer und Schmerz aus, sondern er berührt auch alte Lebensthemen. Der Verlust trifft uns im Innersten unserer Persönlichkeit, in der auch unsere wichtigsten Lebenserfahrungen und Lebenseinstellungen verankert sind.
Unsere Lebenserfahrungen und die daraus resultierenden Lebenseinstellungen formen sich seit unserer frühesten Kindheit zu Grundgefühlen und Sätzen über das Leben, über die Welt undüber die eigene Person. Wir nennen diesen Komplex unserer Grundüberzeugungen das »Lebensskript«. Dieses gibt uns unbewusst vor, wie wir die Welt und uns selbst erleben und verstehen sollen. Wir sehen das, was uns dann im Leben zustößt, mit der Brille des Lebensskriptes. Die Idee vom Lebensskript wurde von Eric Berne , dem Begründer der Transaktionsanalyse, in die Psychotherapie eingeführt und hat sich als wichtiges Konzept bewährt.
Ein häufiges Skript heißt zum Beispiel: »Ich bin es nicht wert, geliebt zu werden«. Als Kind hat dieser Mensch erlebt, dass er von einem oder beiden Elternteilen immer wieder übersehen, benachteiligt und schwer kritisiert wurde. Oft gab es auch keine körperliche Zuwendung und Nähe. Vielleicht war die Familie von einem distanzierten und unterkühlten Klima geprägt. Das Kind hat wenig Zuneigung gespürt und hat diese richtige Wahrnehmung dann auf sich bezogen: »Es muss an mir liegen, dass ich nicht geliebt bin. Ich bin es einfach nicht wert, geliebt zu werden.« Als Jugendlicher und als Erwachsener überträgt dann dieser Mensch die Einstellung und das Gefühl »Ich bin nicht wert, geliebt zu werden« auf alle Beziehungen. Er unterstellt anderen Menschen meist unbewusst, dass sie ihn nicht wirklich lieben oder es nicht wirklich
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