Meine Welt hinter den Sternen - Vestin, A: Meine Welt hinter den Sternen
20 Minuten kamen wir an. Der Kirschsteinplatz, auf dem der Flohmarkt stattfand, war überfüllt mit Ständen. Viele Besucher drängten sich durch die engen Durchgänge. Wir begutachteten die Stände. Viele boten Bücher, Stofftiere oder auch Antiquitäten an. Mein Großvater schritt voran und wir schlenderten gemütlich durch die Menschenmenge. Hier und da blieben wir stehen und sahen uns ein paar Sachen genauer an. Großmutter hatte sogar schon eine rosafarbene Vase gekauft, mit Blumen darauf.
Schließlich kamen wir zu einem Stand, auf dem ein Fernrohr angeboten wurde. Ein wunderschönes Fernrohr. Es war schwarz und hatte alles, was man brauchen -konnte, um hindurchzuschauen. Ich war begeistert. Mir fiel auf, dass es anders aussah als die, die ich einmal im Fernsehen gesehen hatte. Trotzdem war es das Schönste, was ich je erblickt hatte. „Guten Tag! Mein Name ist Hester. Wir würden uns für das Fernrohr interessieren. Können Sie uns -sagen, aus welchem Jahr es stammt?“, fragte mein Großvater den Verkäufer. Dieser war ein alter Mann. Er hatte weißes, schmutziges Haar und trug zerlumpte Kleider. „Oh ja, natürlich!“, antwortete er meinem Großvater mit seiner tiefen Stimme. „Es ist ein altes Stück, aber dennoch besser erhalten als alle anderen. Man sieht die Sterne so klar, wie man durch ein Glas Wasser hindurchschauen kann. Ich brauche es nicht mehr, obwohl ich ebenso wie Sie ein großer Sternenliebhaber bin. Wissen Sie, meine Jahre gehen langsam zu Ende und ich möchte doch noch etwas länger in meiner derzeitigen Wohnung bleiben. Alles wird teurer, die Miete …“ „Woher wissen Sie, dass ich Sterne mag?“, fragte mein Großvater unhöflich. „Das sieht man an Ihren Augen. Doch, ich sage es Ihnen, dieses Fernrohr ist nicht wie jedes andere. Es ist etwas ganz Besonderes.“ Er zwinkerte mir zu. „Wie viel verlangen Sie?“, fragte mein Großvater. „Oh, so viel, wie Sie mir geben wollen. Es hat seine Dienste bei mir getan“, antwortete der Alte und mein Großvater steckte ihm einen Hunderter in die Tasche. Der Alte bedankte sich mit einer Verbeugung, Großvater nahm das Fernrohr und ging auch schon weiter. Doch der Mann winkte mich zu sich her. „Nimm dir meine Worte zu Herzen“, sagte er und lachte leise. Ich sah ihn mit großen Augen an und nickte. „Tara, wo bleibst du?“, rief meine Großmutter und ich drehte mich um, mit dem Wissen, etwas sehr Wichtiges erfahren zu haben.
Fernrohr
„Großvater, kann ich dir denn was helfen?“, fragte ich ihn, als er schnaufend das Fernrohr ins Wohnzimmer -hievte. „Nein! Geh mir einfach aus dem Weg!“, schimpfte er. „Kind, schau nicht so beleidigt. Es gibt gar keinen Grund dafür. Ich geh jetzt etwas lesen“, sagte meine Großmutter, setzte sich gemütlich in den Wohnzimmersessel, nahm ihr Buch aus dem Regal und begann auch schon, sich darin zu vertiefen. Ich dagegen sah meinen Großvater mit großem Staunen an. Es war wirklich ein tolles Fernrohr. Was wohl der alte Mann gemeint hatte mit Nimm dir meine Worte zu Herzen?
Gedankenverloren trottete ich zurück in mein Zimmer, setzte mich auf mein Bett und nahm meinen Teddy in den Arm. Die Tränen, die mir die Wangen herunterliefen, wischte ich schnell weg. Und mein Teddy half mir wie immer. Ich rappelte mich auf und setzte mich an meinen Schreibtisch. Vielleicht sollte ich noch etwas für die Schule lernen. Ich versuchte mich zu konzentrieren, auch wenn mich unten die lauten Flüche meines Großvaters immer wieder zusammenzucken ließen. Aber auf meine Hilfe wollte er ja verzichten.
„Tara!“, schrie meine Großmutter die Treppe herauf. „Es gibt Essen.“ Langsam erhob ich mich von meinem Sessel und ging nach unten. Es roch nach Schweinebraten. So etwas Gutes gab es nur an Sonntagen. Meine Großmutter gab mir einen großen Knödel auf den Teller und ich begann hastig zu essen. „Wie schiehts jetscht mit dem Fernrohr aus?“, fragte ich meinen Großvater. „Man redet nicht mit vollem Mund“, wies mich meine Großmutter zurecht. Ich nickte in ihre Richtung. „Es ist fertig und ich habe auch schon hindurchgesehen. Es ist wirklich ein Prachtstück. Nur dass wir uns gleich verstanden haben, Mädchen, du greifst das nicht an, außer du möchtest, dass …“, doch ich hörte schon gar nicht mehr zu. „Hast du gehört, was Gottfried gesagt hat?“, fragte mich meine Großmutter und durchbohrte mich mit ihren Adleraugen. „Natürlich“, antworte ich und aß weiter den Braten. Ich war
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