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Meineid

Meineid

Titel: Meineid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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lang. * In der ersten Januarwoche vor dreieinhalb Jahren sah sie ihn zum ersten Mal, an einem Donnerstag. Es war einer von diesen feuchtschmuddeligen Tagen, die zu warm sind für den Winter. Nieselregen und sieben Grad über null. Den Vormittag verbrachte Greta mit einer Strafsache in einem schlecht geheizten Gerichtssaal. Der Richter hatte Schnupfen, die Schöffen husteten, von den Zuschauerbänken kamen vereinzelte Nieser. Dem Angeklagten tränten die Augen, aber mehr wegen des Urteils. Vier Jahre! Er hatte mit weniger gerechnet. Greta auch. Sie war schlecht gelaunt, als sie zurück in die Kanzlei kam. Es war ein ungünstiger Zeitpunkt, ihr meine Pläne zu unterbreiten. Ich tat es trotzdem. Ich wollte ein paar Tage Urlaub mit ihr machen, nur ein verlängertes Wochenende. Wir hatten bis dahin regelmäßig unseren Jahresurlaub zusammen verbracht, unter strikter Geheimhaltung, versteht sich. Getrennte Flüge, getrennte Zimmer, meist kam Greta erst einige Tage nach mir am Ziel an, oder sie flog voraus und ich bildete die Nachhut. Für eine halbe Woche lohnte das nicht. Sie behauptete prompt, sie könne sich kein verlängertes Wochenende leisten. Zu viel Arbeit. Ich kannte ihr Pensum für die nächsten Wochen und hielt es für eine Ausrede.
    «Hast du Angst, es könnte jemand erfahren, dass wir …»
    Ich sprach den Satz nicht zu Ende, lachte leise.
    «Greta, sei nicht kindisch! Nach acht Jahren. Was ist dabei, wenn jemand Wind davon bekommt, dass du von Zeit zu Zeit menschliche Bedürfnisse hast und dich wie eine Frau fühlst? Es wird dein Image nicht ankratzen.»
    Sie hasste es, wenn ich das Wort Image in den Mund nahm. Greta, die Unnahbare, die Frau, die von Technik und Chemie spricht, wenn sie Liebe meint. Ich wusste, dass sie es hasste, vor allem, wenn wir miteinander geschlafen hatten. Aber gerade in solchen Momenten war ich es oft leid, mich zu benehmen wie ein Eisschrank. Aufstehen und heimfahren oder aufstehen und sie zur Tür begleiten. Ich hatte sie seit ewigen Zeiten nachts nicht mehr neben mir gehabt, auch im Urlaub nicht. Ich hatte beinahe vergessen, wie sie aussah, wenn sie schlief. Ihr verwuscheltes Haar auf dem Kissen, die Brille auf dem Nachttisch. Auch wenn sie seit Jahren diese perfekte Frisur und Kontaktlinsen trug, nachts, stellte ich mir vor, musste sie noch so sein, wie sie früher gewesen war.
    «Tu mir einen Gefallen, Niklas, bat sie.
    «Leg eine neue Platte auf. Ich habe keine Lust, mir ein Wochenende, auch noch ein verlängertes, spitze Bemerkungen über meine Fassade anzuhören. Es ist keine Fassade, und es wäre entschieden besser für uns beide, wenn du das endlich begreifst. Wenn ich in einem Restaurant ausgezeichnet essen kann, will ich auch nicht gleich den ganzen Laden kaufen. Es reicht mir völlig, zweimal in der Woche ein ausgezeichnetes Menü zu mir zu nehmen.»
    Ich bedankte mich für den Vergleich, mag sein, dass ich ironisch klang. Und Ironie vertrug Greta ebenfalls nicht. Sachlichkeit schien ihr zwischen uns beiden angebrachter. Es ging eine Weile hin und her. Ich machte den Fehler, ihr nicht eben sachlich, dafür jedoch offen meine Meinung zu sagen. Dass mir unser Versteckspiel zum Hals heraushing. Dass ich meinen Eltern endlich den Gefallen tun und eine Schwiegertochter ins Haus bringen wollte. In dieser Hinsicht sah es düster aus. Mit dem Hinweis auf meine Eltern verärgerte ich Greta endgültig und hätte mich dafür ohrfeigen mögen. Warum sagte ich ihr nicht einfach, dass ich sie liebte? Weil sie es für eine Lüge gehalten hätte! Und Lügen hasste Greta mehr als alles andere, das erwähnte ich ja bereits. Für sie liebte ich Tess. Es mochte eine unerfüllte Liebe sein, doch das ändert nichts. Warum sonst ging ich – immer noch – häufig am Wochenende mit Tess aus? Weil ich mir Hoffnungen machte, basta! Weil ich auf den Tag wartete, an dem Tess von ihrem verheirateten Geliebten genug hatte und endlich begriff, dass sie nicht jünger wurde. Kurz nach sechs fuhr Greta heim – alleine. Ursprünglich hatten wir an dem Abend noch einen wichtigen Fall besprechen wollen. Erst Wochen später erfuhr ich von ihrer ersten Begegnung mit Jan Tinner. Am nächsten Morgen hörte ich von ihr nur, dass sie auf dem Weg von der Tiefgarage zu ihrer Wohnung flüchtig mit dem Gedanken gespielt hatte, mir einmal nachzugeben. Es könne durchaus seinen Reiz haben, einige Tage in der Sonne zu liegen. Und einige Nächte mit mir im Bett. Aber dann hatte Greta an den Morgen gedacht. An das halb

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