Meines Bruders Moerderin
Gegenteil, er hat versucht, sie zu töten. Ich konnte noch nicht länger mit ihr sprechen, aber ich hoffe, das bald zu tun. Außerdem hat sich ein neuer Aspekt ergeben, es könnten Drogen im Spiel sein. Die beiden Marokkaner, die ...«
»Vergessen Sie doch endlich mal Ihre ewigen Marokkaner. Ich bezahle Sie nicht dafür, dass Sie hier die juristische Mutter Theresa spielen.«
»Sie bezahlen mich? Das ist mir ja bisher noch gar nicht aufgefallen, aber ...«
»Hat sie unterschrieben?«, unterbrach er sie brüsk.
Dagmar schluckte. »Nein. Mit den kaputten Händen konnte sie ja gar nicht ...«
Wieder unterbrach er sie. »Dann sind wir auch nicht ihre Rechtsvertretung. Basta.«
»Aber sie hat mir mündlich ihr Einverständnis gegeben, das ist doch auch bindend ...«
»Haben Sie darüber gesprochen?«, fuhr er scharf dazwischen. »Mit den Medien?!«
»Nun ja, das war doch in Ihrem Sinne ...« Dagmar verstand nicht, worauf er hinauswollte.
Fusté griff neben sich, wo er auf einem kleinen Teewagen die Unterlagen stapelte, die seinen schönen Tisch nicht entstellen sollten, und holte die Zeitung mit den Fotos von Barbara hervor. »Haben Sie das schon gesehen?! Das ist ja grässlich! Ich dachte, sie wäre zumindest hübsch. Mein Gott, Reimann hatte doch schließlich einen weltweiten Ruf als Blondinenstecher.« Er lachte, bemerkte Dagmars Gesichtsausdruck und hob mit einer Grimasse beide Hände. »Ja, schon gut! Regen Sie sich nicht gleich auf.« Er lächelte charmant, stand auf und kam um den Tisch herum. Zog Dagmar zu sich hoch. Ihr Rock klebte an den Beinen, sie zerrte an der Jacke. Fusté hob ihre Tasche auf und reichte sie ihr. Lächelte immer noch. »Hören Sie zu. Sie haben ganz hervorragende Arbeit geleistet. Barbara ist in Deutschland geboren, sie kennt Sie, sie vertraut Ihnen. Dagmar, es ist Ihr Fall.«
Dagmar dachte zuerst, sie hätte sich verhört. »Aber sonst bleibt alles bei unserem Vertrag?«
»Kleine deutsche Dagmar«, Fusté legte ihr den Arm um die Schultern und manövrierte sie zur Tür, »ich habe nicht gesagt, dass ich ein Vermögen in diesen Fall investieren will. Für mich ist sie schuldig. Für Sie nicht. Sie sind ihr Anwalt. Dann müssten Sie Recherchen und Investigationen auch selber verantworten. Berechtigte Spesen übernehme ich, sofern sie sich im Rahmen halten.« Sie waren bei der Tür. Dagmar hatte noch tausend Fragen, aber er schob sie sanft, aber deutlich hinaus. »Es ist Ihr Fall, Ihre große Chance.« Sein Lächeln erstarb, noch bevor sich die Tür hinter ihr mit einem zufriedenen Schmatzen schloss.
Dagmar sah und hörte nichts. Sie winkte Mercedes überschwänglich zu, schwebte mit dem Glaslift hinunter und fand sich schön in dem vergilbten Spiegel.
Fusté war raus. Sie allein war Barbaras Anwältin. Sie war nicht mehr nur die Sklavin, die Fakten zusammensuchte, sie war die Verteidigerin. Und wenn nötig bis vor Gericht. Und Fusté übernahm die Kosten. Sie würde gewinnen. Die Welt stand ihr offen.
Dagmar hüpfte, tanzte. Noch einmal durch den Boulevard Rosa, diesmal in der anderen Richtung. Die Läden hatten noch immer nicht geöffnet. Es war erst zehn vor zehn. Dagmar lief auf die Rambla de Catalunya hinaus und wandte sich nach links. Sie hatte kein Ziel. Sie rannte nur vor Glück. Die Cafés unter den weißen Schirmen. Die Sonne am blauen Himmel, die Hitze. Die ersten Touristen. Kurz vor der Plaça de Catalunya das Börsencafé mit den Managern und Büroangestellten, die hier ihr erstes oder zweites Frühstück einnahmen.
Holzgetäfelte hohe Räume, eine lange Tapatheke, dunkel polierte Tische. Ein weiß-gelber, zwei Meter hoher Chrysanthemenstrauß in einer blau glasierten Terracottavase. Freundliche Kellner in langen weißen Schürzen. Sie kannten Dagmar. Sie kam oft her und las bei einem Café solo die Zeitung an der Bar. Heute setzte sie sich an einen Ecktisch und breitete ihre Unterlagen vor sich aus. Ihr Kellner war der hübsche Santi. Er stammte aus Kolumbien und hatte ihr verraten, dass er eigentlich Musiker war und auf seine große Chance wartete. Sie bestellte Café con leche , frisch gepressten Orangensaft und ein knuspriges Croissant mit Schokolade. Heute war der Tag der Orgie.
Am Nebentisch saßen zwei ältliche Mädchen mit Perlenketten über grauen Twinsets, vermutlich Sachbearbeiterinnen bei einer Bank oder Versicherung. Sie hatten bei Obstsalat und Müsli die Kollegen durchgehechelt, zahlten gerade und standen auf. »Er hat sie voll abgezockt«, sagte
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