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Meines Bruders Moerderin

Meines Bruders Moerderin

Titel: Meines Bruders Moerderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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Dach.
    Der Fahrstuhl war verspiegelt und verglast. Kunstvoll eingeätzte Blumengirlanden und Schwäne hinter einem minimalistischen Jugendstilgitter. Als sie das erste Mal hergekommen war, hatten die Eleganz und der Luxus sie verschreckt. Dann war sie voller Stolz hergekommen. Sie, die kleine Dagmar als Anwältin in so einem Haus. Sie hatte sich nie daran gewöhnt. Erst mit der Zeit hatte sie begriffen, dass sie trotz allem nicht hergehörte. Dass sie hier nur ein Besucher war. Kein Gast, eher so eine Art Lieferant. Ihr eben noch so positives Lebensgefühl schwand. Sie schwitzte. Das Top klebte ihr am Rücken.
    Der Kanzlei gehörten über die gesamte Hausfläche hinweg die obersten drei Stockwerke. Der Lift hielt direkt in der Empfangshalle. Gut sechzig Quadratmeter. Palisandergetäfelte Wände bis unter die stuckverzierte Decke. Seidenschimmernde Teppiche aus dem alten Persien oder China. Ein langer handgeschnitzter Tisch aus dem 18. Jahrhundert. Dahinter ein kristallverglaster, mit ledergebundenen Folianten gefüllter Bücherschrank aus der gleichen Zeit. Und Mercedes, die fleischgewordene Perfektion. Sie musste weit über vierzig sein, aber sie sah keinen Tag älter aus als dreißig. Honigblondes Haar, grüne Augen, volle Lippen und ein streng graues Kostüm in Größe 36. Und wie immer ein freundliches Lächeln. »Er wartet schon auf Sie!«
    Dagmar ging an Mercedes vorbei, den breiten Flur entlang bis zur letzten Tür.
    Klopfte.
    Keine Antwort. Sie klopfte erneut, etwas lauter diesmal.
    »Ja!« Blaff.
    Sie öffnete die Tür, Massivmahagoni, innen mit dunkelrotem Saffian abgepolstert. Das Büro von Fusté hatte mindestens achtzig Quadratmeter. Fast vier Meter hoch über drei Fenster hinweg. Auf dem polierten Parkett lag eine Sammlung kaukasischer Brücken, die bei jeder Auktion siebenstellige Gebote gebracht hätte. An der einzig freien Wand ein Miró, drei Picassos. Die anderen Wände wurden von deckenhohen Bücherregalen dominiert, juristische Fachbücher aus zwei Jahrhunderten. An einer Wand eine Bar, eine lederne Sitzecke. Unter dem Eckfenster stand schräg ein gewaltiger Refektoriumstisch aus dem 17. Jahrhundert. Die Oberfläche wurde täglich geölt. Keine Aktenstapel, keine Familienfotos störten den Glanz. Es gab nur eine silberne Schreibgarnitur, einen Notizblock mit silberner Spange, zwei abstrus hässliche silberne Trophäen, offenbar von ländlichen Golfturnieren und eine supermoderne Telefonanlage in silbermetallic.
    Dahinter saß Fusté in einer Art geschnitztem Thronsessel. Er wirkte klein vor der gewaltigen Lehne und mit seinem glatt zurückgeklatschten Haar, dem kleinen Kugelbauch und diesem himmelblau gemusterten Freizeitanzug aus der Youngsterabteilung des Corte Inglés irgendwie verkleidet. Komisch. Unwirklich. Wie inszeniert. Aber Dagmar wusste es besser. Fusté liebte theatralische Auftritte, aber er war nicht umsonst die Nummer eins. Er kam aus einer alten Juristenfamilie, hatte die beste Ausbildung, einen rasiermesserscharfen Verstand und gut zwei Jahrzehnte Erfahrung. Und er hatte seit Kindesbeinen die besten Beziehungen nach ganz oben in dieser Welt. Er starrte sie an, als sie langsam die hundert Meter von der Tür zu seinem Tisch überquerte.
    »Und?«
    Sie blieb stehen.
    »Was haben Sie zu Ihrer Entschuldigung vorzubringen?«
    »Entschuldigung? Wofür?« Dagmar traute ihrer Stimme nicht, schaute demonstrativ auf die Uhr. .Meine Arbeitszeit geht Sie doch nichts an.«
     »Ich habe versucht, Sie zu erreichen!«
    »Tut mir Leid, ich musste mal schlafen. Soll aber nicht wieder vorkommen.«
    »Kommen Sie mir hier bloß nicht mit blöden Sprüchen. Und setzen Sie sich hin, verdammt noch mal. Soll ich Genickstarre bekommen?«
    Der Besucherstuhl vor Fustés Tisch war eines dieser alten spanischen Folterinstrumente. Ergonomisch viel zu hoch mit einer winzigen Sitzfläche aus durchhängendem Schnurgeflecht zwischen scharfen Kanthölzern und einer steilen, schmalen, hohen Lehne, an die man sich nicht anlehnen konnte. Dagmar versuchte vergeblich, sich so hinzusetzen, dass ihr Rock nicht gleich bis zum Kinn hochrutschte und die viel zu kleine Jacke bei dem erzwungenen Hohlkreuz nicht nach hinten wegplatzte. Erneuter Schweißausbruch. Sie hatte in der Hektik mal wieder vergessen, den BH anzuziehen. Sie zerrte an der Jacke, es war sinnlos.
    »Sie hatten völlig Recht«, sprudelte sie los, bevor Fusté noch etwas sagen konnte. »Unsere Mandantin ist unschuldig. Sie hat Reimann nicht ermordet. Im

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