Meines Bruders Moerderin
sich. Sie nahm Reimanns Porsche und fuhr ihn so nah wie möglich an ihre Wohnung heran. Ließ ihn mitten im Stau auf der Laietana stehen.«
»Okay«, Pia dachte nach, »und das sahen diese zwei Typen, Saïd und Mustaf. Krallten sich den Porsche, gaben Gas, fuhren den Australier über den Haufen, direkt vor unserer prefectura . Und wurden natürlich sofort selber geschnappt. Der Australier hatte Haschischplatten und ein halbes Pfund Koks im Rucksack, im Porsche waren deutliche Koksspuren unter dem Vordersitz.«
»Und war das Kokain identisch?«, warf Dagmar ein. »Und hätten die beiden nach dem Unfall überhaupt genug Zeit gehabt, das Kokain auszutauschen? Direkt vor euren Polizeiaugen?«
»Eric schwört, dass die zwei nichts mit Drogen am Hut haben«, Janet klang selbst nicht sehr überzeugt.
»Sie haben eindeutig Kontakte zu Dealern«, stellte Pia fest. »Wir haben sie im Computer!«
»Na schön, Kontakte.« Dagmar wurde langsam munter. »Aber sie wären ja extrem blöd, wenn sie mit voller Tasche ein derart auffälliges Auto klauen, das gerade mitten im Stau steckt.«
» Ein nagelneuer nachtschwarzer Porsche 911? Janet klang resigniert. »Junge Leute können manchmal schon absurd dämlich sein.«
»Ja, aber doch nicht gleich voll bescheuert.« Dagmar stand auf und nahm den letzten Schluck Kaffee aus ihrer Tasse. »Ich bin Anwältin, ich gehe davon aus, dass meine Klienten die Wahrheit sagen.«
»Das hieße«, Janet sprang auch auf, »das Zeug war schon vorher in dem Porsche.«
»Und wir haben plötzlich ein ganz anderes Bild von unserem Señor millonario Reimann.« Pia gab Fritz den restlichen Schinken und begann, den Tisch abzuräumen. »Drogen. Das eröffnet eine Menge neuer Perspektiven.«
»Barbara sagt, Reimann habe versucht, sie zu töten.« Dagmar nahm ein paar Teller. »Er hatte die Pistole in der Hand, er hat geschossen.« Janet steckte sich im Stehen eine neue Zigarette an.
»Vielleicht ist dieser ganze Robert Reimann ein fake . Ich werde mal das Internet durchkämmen. Pia, überprüf bitte noch mal alle Spuren in seinem Haus. Mit dieser eingeschmolzenen Fernbedienung für das Garagentor lässt sich vermutlich nichts mehr nachweisen.«
»Kaum. Aber wir kennen das Fabrikat. Bei dem kann man den einmal eingegebenen Befehl nicht stoppen.« .
»Das heißt, wer immer das Tor schließen wollte, konnte das nicht mehr rückgängig machen, bevor es ganz unten war. Sehr unerfreuliche Vorstellung.« Sie drückte ihre halb gerauchte Zigarette nachlässig aus. »Und Barbara! Sie war schließlich dort.«
»Ja, sicher«, Dagmar ging zur Tür. »Ruf mich an, wenn du etwas aus dem Krankenhaus hörst, Pia, wir sehen uns später. Danke für alles ...« Sie rannte zur Tür hinaus und die Treppen hinunter.
Die Sonne stand jetzt so hoch, dass sie bis fast hinunter in den kleinen Patio reichte. Die haushohen Fensterscheiben des Kulturinstitutes spiegelten die gegenüberliegende Brandmauer aus jahrhundertealten Quadersteinen. Kein Mensch, kein Geräusch. Es war eine der ganz seltenen Stunden, in denen die Stadt Ruhe gab. Dagmar ging über die schmale und steile Groc hinüber zur Marquet bis hinunter an den Passeig de Colom. Sie wandte sich nach rechts, musste aber kaum fünf Minuten gehen, als sie schon ein Taxi fand, das sie für zwei Euro heimfuhr. Fast die gleiche Summe stand in München schon auf der Uhr, bevor man überhaupt einstieg. Wenn sie diesen Fall erfolgreich durchzog, dann hatte sie sich einen Namen gemacht. Dann musste Fusté ihr ein richtiges Büro geben, und sie konnte richtige Honorare verlangen. Und vielleicht die Wohnung etwas gemütlicher einrichten.
Dagmar duschte, putzte sich die Zähne und zog sich sorgfältig an. Das altrosa Seidenkostüm mit schwarzem Top. Die Jacke ging nicht mehr zu, und den Rock musste sie mit einer Sicherheitsnadel schließen, aber es sah teuer aus und stand ihr gut. Es stammte aus der frühen Warwitz-Zeit, als sie noch in der Theatiner- oder Maximilianstraße einkaufen konnte. Sie packte ein Kuvert mit allen Informationen über Warwitz und die Kinder, verschloss es und schrieb Manels Adresse darauf. Dann legte sie ihre Unterlagen über den Fall Reimann zusammen. Als sie ihre Handtasche einräumte, entdeckte sie auf dem Display des Handys, dass Fusté fünfmal bei ihr angerufen hatte.
Panik. Sie unterdrückte den Reflex, sofort zurückzurufen. Prüfte noch einmal die Wohnung, Gas, Licht, Heißwasser. Unterlagen, Schlüssel. Ging zögernd hinaus. Das gab Ärger. Sie
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