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Meines Bruders Moerderin

Meines Bruders Moerderin

Titel: Meines Bruders Moerderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Rodrian
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Hundertsten ins Tausendste kam. Und wenn man nachfragte, auch noch seine Familiengeschichte samt Lebensphilosophie abspulte. Nur damit sie nicht nachdenken musste.
    Die Panik machte sie kurzatmig. Sie hatte geduscht und sich dabei die Haare gewaschen. Pia hatte ihr einen halben Liter schwarzen Kaffee eingeflößt und ihr Petersilie gegen die Fahne zu kauen gegeben. Sie fühlte sich jetzt auch nicht mehr betrunken, nur unendlich müde.
    Wie hatte sie nur lachen, trinken und feiern können, während Barbara ganz allein im Gefängnis saß. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass man sie vom Krankenhaus dorthin verlegt hatte. Hatte sie etwa erwartet, dass die Gefängnisverwaltung anrufen würde? Oder wie sollte Barbara mit ihren verbundenen Händen telefonieren, selbst wenn man sie überhaupt ließ?
    Dagmar versank in Schuldgefühlen. Sie hatte nur den Fall gesehen. Nicht den Menschen Barbara. Sie war wie Fusté und all die anderen. Sie hatte versagt. Menschlich und als Anwältin. Und noch ein kleiner fieser Gedanke versuchte sich in ihr Bewusstsein zu schieben. Dies war das Ende ihrer nie begonnenen Karriere. Ihr erster Fall, und sie hatte ihn so schmählich in den Sand gesetzt. Aus und vorbei. Sie hörte schon Fustés höhnisches Lachen. Und sie dachte an ihre Schulden und die unbezahlten Rechnungen. Und an Sarah und Achim.
    »Wir sind da«, der Fahrer legte seinen ledrigen Ellbogen auf die Lehne und sah sie an. »Frauengefängnis WAD RAS.« Pockennarben wie Krater. »Eintausendzweihundertvierzig.« Der Taxameter zeigte Euro an, aber der Fahrer rechnete wieder in Peseten zurück. Dagmar griff nach ihrer Tasche, zahlte und gab ein viel zu hohes Trinkgeld. Kein Dank, kein Lächeln. Er wendete und fuhr davon.
    An jedem anderen Tag hätte Dagmar das als normale Muffigkeit abgebucht, heute aber nahm sie alles persönlich. Er hätte sie auch bis zum Tor fahren können, statt sie schon fünfzig Meter vorher bei der Einfahrt abzusetzen. Hasste er alle Frauen? Oder hielt er sie für eine Mörderin, die sich freiwillig zum Strafantritt meldete? Oder war er einfach nur ein Holzkopf? Caps cuadrat nannten die Katalanen die Deutschen. Quadratköpfe. Fusté sagte das gern und süffisant, wenn er ihr einen seiner deutschen Klienten zuschob, weil es Sprachprobleme gab. Das war auch vorbei. Dagmar schwitzte, die Haare klebten ihr schon wieder am Kopf, es war egal. So vieles war jetzt egal. Sie zeigte ihren Ausweis an der Pforte vor und wurde eingelassen. Rasseln, weitere Türen. Die Direktorin überwachte in diesem Fall persönlich die Untersuchung und Leibesvisitation. Inés Alvarez. Mitte fünfzig, graues Kurzhaar, hager und durchtrainiert. Die Uniform saß an ihr wie maßgeschneidert. Dagmar hasste diese Entwürdigung, heute aber war ihr jede Strafe willkommen. »Bitte, wie ist es passiert? Können Sie mir etwas sagen?!« Schweigen und ein verächtlicher Blick. Mehr bekam sie nicht als Antwort.
    Irgendwo im Gefängnis wurde gehämmert, das ganze Gebäude war in einem trostlosen Zustand. Abblätternder Putz und durchgetretener Steinboden. Vor einer Doppeltür musste Dagmar warten. Die letzte Tür war verglast. Dann ein neonheller Raum mit acht Betten.
    Zwei waren belegt, im ersten lag Barbara.
    Sie lebte!
    Ihr Gesicht war durchscheinend bleich, sie hatte einen Verband um den Hals und einen Infusionsschlauch in der Armbeuge. Sie lebte! Dagmar wurde schlecht vor Erleichterung. Sie setzte sich auf die Bettkante.
    »Barbara!«
    Die Lider flatterten, die Augen öffneten sich zögernd. Ein zaghaftes Lächeln. »Heh, meine Anwältin!«
    »Barbara. Ich bin ja so froh!«
    »Na ja, war verdammt knapp diesmal.«
    Dagmar beugte sich über Barbara und strich ihr das verschwitzte Haar aus dem Gesicht.
    »Auseinander! Keine Berührungen!« Die Stimme der Schließerin klang scharf, aber routiniert und unpersönlich.
    »Warum hast du das denn bloß gemacht?!« Dagmar wich ein Stück zurück. Barbara antwortete nicht sofort. Sie sah zu der reglosen Gestalt im Nebenbett und zu der Wache neben der Tür. Ihre Hände waren immer noch bandagiert. Die Gestalt im anderen Bett schrie plötzlich auf, stammelte verzweifelt, verstummte wieder.
    »Was denn? Was habe ich denn gemacht?« Sie tappte nach Dagmars Hand. Blinzelte. Dagmar verstand. Es ging hier nicht um Selbstmord. Es war nicht ihre Schuld! Nicht ihr Versagen, nicht sie.
    Dagmar beugte sich tief über Barbara. Laut: »Ich habe mir ja solche Sorgen gemacht!« Leise: »Wer? Name! Beschreibung!«
    Barbaras

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