Meines Bruders Moerderin
denn jede Wette, dass diese Teresa demnächst verlegt oder sogar begnadigt wird.«
»Hör zu, Yolanda«, Dagmar senkte unwillkürlich die Stimme, »Barbara ist in höchster Gefahr. Und, um alles noch schlimmer zu machen, sie spielt mit Fluchtgedanken. Neben ihr im Bett liegt eine Frau, die ich für eine Simulantin halte. Die haben Angst, Barbara und ich könnten uns auf Deutsch heimlich verständigen. Finde raus, ob Barbara auf der Station sicherer ist oder vielleicht doch in einer Zelle. Versuche, dich irgendwie in den Knastalltag einzuschleichen. Aber sei um Gottes willen vorsichtig! Hier ist ein skrupelloser Mörder unterwegs.«
»Ist mir klar. Keine Sorge, Dagmar. Ich hab einiges in meinem Leben gesehen. Ich pass schon auf! Yolanda war für einen Sekundenbruchteil ernst, dann grinste sie wieder.
Dagmar lächelte auch. »Dann noch ein kleiner Tipp: Die Direktorin, Inés Alvarez, ist so ein menschgewordener Ladestock. Jede Wette, dass die massive Bandscheibenprobleme hat.«
»Ich verstehe«, Yolanda massierte die Luft mit beiden Händen und lachte. »Das ist tatsächlich mein angestrebtes Spezialgebiet. Wirbelsäule, Rücken, Bewegungsapparat.«
»Umso besser«, Dagmar stand auf. »Ich werde von außen alles in Bewegung setzen. Barbara hat mehr Freunde als sie denkt. Und wir werden sie da rausholen!«
Sie sahen sich an und umarmten sich kurz. Dann ging Yolanda zum Tor, und Dagmar machte sich auf den staubigen Weg zur nächsten Bushaltestelle, ohne noch einmal zurückzuschauen. Sie konnte nicht ahnen, dass sie Yolanda zum letzten Mal lebend gesehen hatte.
33
Pia hatte eine kleine Siesta gehalten, danach geduscht und fühlte sich jetzt wieder fit. Sie lief durch die Straßen und Gassen hinüber zum Polizeipräsidium in der Laietana. Nachmittags halb vier. Die Hitze waberte sogar im Schatten. Eine für das barrio gótico fast perverse Stille. Außer einer japanischen Reisegruppe und ihr war kein Mensch unterwegs.
Das Polizeipräsidium stach hell aus der Einheitslinie der modernen Häuserfronten hervor. Ein Palast. Pia empfand immer noch so etwas wie Stolz. Am Haupteingang hatte der gutmütige Andalusier Wachdienst. Er war allein, der straffe Felipe war nicht zu sehen. Sie winkte und wollte weiter, aber er hielt sie auf. »Verzeihen Sie.«
Pia blieb stehen. »Ja. Was gibt's, Manolo?«
Sie sind immer so freundlich zu mir gewesen. Meine Mutter lässt Sie herzlich grüßen. Ich erzähl ihr ja immer alles, und da hat sie mir aufgetragen, dass ich es Ihnen unbedingt sagen muss.« Er holte tief Luft, »ich bin ja nur eine kleine Nummer, aber es wird doch geredet. Da oben läuft etwas gegen Sie. Nicht nur Gerüchte, ich glaube es ist ernst.«
»Ja, danke. Ich weiß Bescheid. Aber es ist ein gutes Gefühl, einen Freund im Haus zu haben.«
»Immer«, Manolo strahlte, »wenn Sie Hilfe brauchen, ich bin immer für Sie da ...«, er verstummte. Sein neuer Kollege kam hastig herausgerannt, die Hand noch am Hosenschlitz, grinste dümmlich und stellte sich hastig auf seinen Platz. Er sah aus wie sechzehn und glühte noch vor Eifer. Felipe hatte also den Sprung nach oben schon geschafft.
Pias gute Laune zerschmolz. Das hier war immer ihr Ziel und jahrelang ihr Zuhause gewesen. Sie gehörte hierher, aber schon jetzt hatte sie das Gefühl, ein ungebetener Gast zu sein. Sie ging an den beiden vorbei und zu den Büros hinauf.
In den knapp zwei Tagen hatten sich die Plastikplanen schon wieder bewegt, das provisorische Büro war verschwunden, und das von Sanchez auch. Farbverkleckste Planen, Leitern, Schleifmaschinen, Farbeimer, der Geruch von Lösungsmitteln und eine dicke Staubschicht über allem. Fußballjubel. In einer Ecke saßen drei Arbeiter bei Fanta und Tomatenbocadillos und verfolgten auf einem winzigen Schwarzweiß-Fernseher ein Spiel zwischen dem FC. Barcelona und Spartak Moskau.
Im kleinen Konferenzraum am Ende des Ganges fand sie schließlich Toni und Silvi. Statt einer Tür gab es auch hier nur noch eine Plastikplane. Kisten und Kartons stapelten sich bis unter die Decke, auf dem freibleibenden Platz quetschten sich drei Schreibtische mit drei Computern. Aktenberge auf allen Stühlen und auf dem Fußboden. Silvi sprang erschrocken auf, als Pia hereinkam. »Oh... Hola , Pia!« Sie trug nicht mehr hauteng und Mini, sie machte jetzt auf Business, schwarze Seidenhosen und ein ärmelloses Top. »Wir ... Wir dachten, du wärst krank!«
»Das werde ich vermutlich gleich sein«, Pia erkannte den blank gewetzten
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