Meistbietend ersteigert
verwarf jedoch den Gedanken wieder. Eduard war es nicht wert. Jens hatte sich noch so viel vorgenommen … sein Studium, das Leben zu genießen, welchen Weg auch immer er einschlagen würde.
Am Freitag hockte er über eine Stunde mit der Visitenkarte in der Hand vor dem Telefon und dachte darüber nach, ob er anrufen und absagen, oder sie lieber einfach in den Müll werfen sollte. Er wollte nicht anrufen, hatte Angst davon, die angenehme Stimme des Froeling-Sprosses zu hören, und bei ihm erscheinen schon gleich gar nicht, sein Pflichtgefühl gebot es ihm jedoch. Seine Hände zitterten, als er das Telefon in die Hand nahm. Sie waren schweißnass, sodass ihm das Gerät aus den Fingern rutschte und auf den Boden fiel. Der Akkudeckel sprang ab und die Batterien kullerten heraus. Jens sank vor dem Gerät auf den Boden und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
Noch nie in seinem Leben hatte er so viel Angst vor etwas gehabt, wie vor dieser neuerlichen Begegnung mit Eduard.
Als es an seiner Zimmertür klopfte, fuhr er erschrocken zusammen.
„Bist du soweit?“, erkundigte sich sein Vater. Die Tür öffnete sich ein Stück. Sein Kopf kam zum Vorschein. „Eduard Froeling hat eben angerufen und mitgeteilt, dass die Presse ein paar Fotos machen wolle.“ Die Tür ging weiter auf und der Rest von seinem Vater schob sich herein. „Was ist mit dir los?“, wollte er wissen, als er seinen Sohn am Boden kauern sah, dessen Gesicht tränenüberströmt.
„Ich kann das nicht“, presste Jens mühsam hervor, wischte sich die Feuchtigkeit aus dem Gesicht und sah seinen Vater an. „Ich will da nicht hin.“
„Warum nicht? Herr Froeling hat viel Geld dafür geboten.“
„Mir ist das Geld scheißegal!“, schrie Jens wütend. Seinem Vater ging es nur um das Geld, das die Benefizveranstaltung eingebracht hatte, und um sein Image. Dies traf ihn schmerzhaft ins Herz.
„Es geht auch nicht ums Geld“, donnerte sein Vater zurück. „Sondern um die Sache an sich. Das war ein wohltätiger Zweck. Wir helfen damit Leuten, deren Existenz bedroht ist. Reiß dich gefälligst zusammen. Anderen Leuten ergeht es viel schlechter als dir. Manche Leute haben nichts mehr. Das Hochwasser hat ihnen alles genommen. Denk bitte auch einmal daran. Dein Beitrag hierzu ist nur gering. Was kann an einem Wochenende Pool schrubben schon Schlimmes dran sein? Etwas körperliche Arbeit kann auch dir nicht schaden.“
„Hast du überhaupt verstanden, worum es mir geht?“, wollte Jens wissen. Er erhob sich und baute sich vor seinem Vater auf. „Mir geht es nicht darum, für andere schuften zu müssen. Das mache ich schon mein ganzes Leben lang. Mir geht es darum, dass ich diesen Eduard nicht ausstehen kann. Ich will nicht dahin. Ich kann es nicht.“
„Dann hättest du dich auch nicht für die Versteigerung zur Verfügung stellen dürfen.“
„Hab ich auch nicht, aber ihr habt mir keine andere Wahl gelassen.“
„So schlimm wird es bestimmt nicht werden“, wischte sein Vater die Argumente mit einer wegwerfenden Handbewegung vom Tisch. „Mach dich fertig. Eduard Froeling und die Presse warten bereits auf dich.“
„Die können mich mal“, spuckte ihm Jens wütend entgegen. „Ich will nicht.“
„Du willst deinen Dienst nicht antreten?“ Sein Vater beäugte ihn streng.
„Ja, will ich nicht. Das Ganze kotzt mich ohnehin schon seit Langem an.“
Eine Ohrfeige schallte.
Jens starrte seinen Vater fassungslos an.
„In fünf Minuten hast du deine Sachen für ein Wochenende gepackt“, sagte der kalt. „Ich will Froeling und der Presse nicht sagen müssen, dass sich mein eigener Sohn für den Dienst am Menschen zu schade ist.“
Damit drehte er sich um und verließ das Zimmer.
Die Tränen rannen von Neuem über Jens' Gesicht. Seine Wange brannte wie Feuer, wo ihn die Hand seines Vaters getroffen hatte. Das Herz polterte schmerzvoll in seiner Brust, als würde es davonlaufen wollen. Am liebsten würde er seinem Herz und sich selbst diesen Wunsch erfüllen. Weit weglaufen, ans andere Ende der Welt, von ihm aus, auch mitten in das schlimmste Elendsviertel von Afrika. Nur weg von seinem Vater und Eduard.
Dennoch packte er ein paar Sachen in eine Sporttasche und setzte sich wortlos ins Auto zu seinem Vater, tapfer jede weitere Träne runterwürgend, die es wagte, zum Vorschein zu kommen.
3.
Vor einem großzügigen Haus mit weißen Außenwänden, mit Büschen und Bäumen eingewachsenem Garten und einer Auffahrt aus weißem Kiesel
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