Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
zweitausend bis zweitausendfünfhundert Metern haben mochte. Ihre Ränder zeigten vielfache Einschnitte, hier Spitzen, dort wenig tiefe Buchten. In einer solchen, die nach Westen zu gelegen und gegen den eben herrschenden Wind geschützt war, fand die Perme jedoch gute Zuflucht. Das Wasser darin war sehr klar, so daß man bei zwanzig Fuß Tiefe den sandigen, mit Meerpflanzen bedeckten Grund sehen konnte. Als die »Berbera« festgelegt war, vermochte die nahe Brandung sie kaum leicht zum Schwanken zu bringen.
Das war immerhin genug, ja sogar zuviel, als daß der Notar noch eine Minute hätte an Bord bleiben mögen. Mit Mühe hatte er sich nach dem Verdeck geschleppt und wollte eben aufs Land hinüberspringen, als Meister Antifer ihn aufhielt und dem Männchen zurief.
»Halt, halt! Herr Omar!… Erst ich, wenn’s Ihnen beliebt!«
Ob ihm das nun beliebte oder nicht, jedenfalls mußte der Notar warten, bis der unregierbare Malouin von seinem Eiland Besitz genommen hatte, was er dadurch that, daß er die Sohlen seiner Schifferstiefeln tief in den Sand eindrückte.
Dann durfte ihm Ben Omar nachfolgen, und der seufzte erleichtert auf, als er festen Boden unter den Füßen fühlte. Gildas Tregomain, Juhel und Saouk befanden sich bald bei ihnen.
Inzwischen hatte Selik das Eiland mit dem Blicke gemustert und sich gefragt, was die Fremdlinge hier wohl vorhätten, daß sie eine so lange Reise und so große Unkosten daransetzten. Nur die Lage dieses Felsennestes zu bestimmen, das ließ sich wohl kaum annehmen, wenigstens wenn jene Leute nicht reine Narren waren. Wenn sich auch bei Meister Antifer einige Spuren davon zeigten, so hatten doch Juhel und der Frachtschiffer offenbar Sinn und Verstand bei einander. Und dennoch betheiligten sie sich bei dieser auffälligen Geschichte! Da waren ferner die beiden Aegypter, die daran auch Interesse zu haben schienen…
Selik hatte jetzt also mehr als jemals Ursache, die Schritte dieser Fremdlinge zu beobachten, und er wollte ihnen eben nach dem Eilande folgen. Da gab Pierre-Servan-Malo seinem Neffen ein von diesem verstandenes Zeichen, und letzterer wendete sich an Selik mit den Worten:
»Es ist unnöthig, daß Sie uns begleiten. Hier brauchen wir keinen Dolmetscher… Ben Omar spricht französisch wie seine Muttersprache….
– Dann ist’s gut!« begnügte sich Selik zu antworten.
Der Polizist wollte keine Verhandlung hervorrufen. Er hatte sich dem Meister Antifer zur Verfügung gestellt und mußte sich dessen Anordnungen nun auch fügen. Dagegen behielt er sich vor, mit seinen Leuten einzugreifen, wenn die Fremden nach dem Fahrzeuge zurückkehrten und irgendwelche Gegenstände mit an Bord bringen sollten.
Jetzt war es schon dreieinhalb Uhr nachmittags. An Zeit fehlte es also nicht, sich in den Besitz der drei Fässer zu setzen, wenn sich diese überhaupt vorfanden, und daran zweifelte der Malouin keinen Augenblick.
Die »Berbera« sollte also in der kleinen Bucht liegen bleiben. Durch Vermittelung Selik’s verständigte der Führer der Perme Juhel aber, daß er nur bis sechs Uhr warten werde. Die Nahrungsmittel waren fast zu Ende. Jetzt galt es also, den günstigen Wind zu benützen, um, etwa mit Anbruch des nächsten Tages, Sohar wieder zu erreichen. Meister Antifer erhob dagegen keinen Einwand. In mehreren Stunden konnte er sein Vorhaben ja recht gut erledigt haben.
Es handelte sich ja nicht darum, das überdies beschränkte Eiland zu durchmessen oder es Schritt für Schritt zu untersuchen. Nach dem bekannten Briefe lag die Oertlichkeit mit dem Schatze an einer der südlichen Spitzen und am Fuße einer durch das Doppel-
K
bezeichneten Felswand. Die Spitzaxt mußte die drei Fässer bald bloßlegen, die Meister Antifer bequem nach der Perme zu rollen gedachte. Natürlich hätte er das gern ohne Zeugen vorgenommen – mit Ausnahme des ihm als solchen aufgenöthigten Ben Omar und dessen Schreibers Nazim. Da es die Besatzung der »Berbera« gar nichts angehen konnte, was jene Fässer enthielten, drohte höchstens die Karawanenreise nach Mascat einige Schwierigkeiten zu bieten. Doch damit hatte man sich ja erst später abzufinden.
Meister Antifer, Gildas Tregomain und Juhel einerseits, sowie Ben Omar und Nazim andrerseits, begannen nun den Abhang des Eilandes zu erklimmen, dessen mittlere Höhe über dem Meere etwa hundertfünfzig Fuß betrug. Bei ihrer Annäherung flatterten einige Völker Wildenten auf, die gegen diesen Einbruch in ihr gewohntes Heim mit lautem Geschrei
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