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Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Titel: Meister Antifer's wunderbare Abenteuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Luftschichten, irisierte ihr blendendes Licht auf der Oberfläche des Golfes.
    Gildas Tregomain glaubte sie begrüßen zu müssen und nahm höflich den Wachstuchhut ab. Ein Ghebr oder Parsi hätte die Erscheinung des Tagesgestirns auch nicht ehrfurchtsvoller begrüßen können.
    Da lebten die Geister nun wieder auf! Mit größter Ungeduld harrten alle, Passagiere und Seeleute, der Stunde entgegen, wo das Besteck gemacht werden sollte. Die Araber wissen nicht, daß die Europäer Mittel besitzen, die Lage eines Schiffes, auch wenn kein Land in Sicht ist, genau zu bestimmen. Jetzt interessierte es sie, zu erfahren, ob die »Berbera« sich noch im Golfe befände oder etwa nach dem Cap Raz-el-Had zu verschlagen worden wäre.
    Inzwischen stieg die Sonne in wunderbarer Reinheit weiter empor, und es war nicht zu fürchten, daß eine Wolke sie verschleiern würde, wenn der junge Kapitän die Stunde der Ablesung der Mittagshöhe gekommen glaubte.
    Etwas vor zwölf Uhr traf Juhel seine Vorbereitungen. Mit festgeschlossenen Lippen, brennenden Augen, und ohne eine Silbe zu sprechen, pflanzte sich Meister Antifer neben ihm auf. Der Frachtschiffer hielt sich, den großen, ganz rothen Kopf hin und her wiegend, zu seiner Rechten; Saouk auf dem Hinterdeck und Selik an Backbord paßten auf, wie die Sache vor sich ging.
    Mit gespreizten Beinen, um sicher zu stehen, hielt Juhel den Sextanten mit der linken Hand und richtete das Fernrohr nach dem Horizonte.
    Die Perme schwankte kaum fühlbar mit der schwachen Dünung auf und nieder.
    Sobald er die Sonnenhöhe erhalten hatte, rief Juhel:
    »Es ist gelungen!«
    Und nachdem er die betreffenden Zahlen auf dem getheilten Bogenstücke abgelesen hatte, begab er sich zur Ausführung der nöthigen Berechnung nach der Cabine hinunter, von wo er nach zwanzig Minuten zurückkehrte, um das Resultat zu verkündigen.
    Die Perme befand sich zur Zeit unter 25°2’ nördlicher Breite, das heißt also, um drei Minuten nördlicher als die Breitenlinie der Insel.
    Zur Vollendung der Beobachtung mußte nun noch der Stundenwinkel gemessen werden. Niemals waren die Stunden dem Meister Antifer, Juhel, dem Frachtschiffer und Saouk aber so lang vorgekommen! Es schien, als ob der ersehnte Augenblick nie herannahen wollte.
    Endlich kam er doch, während die »Berbera« auf Anordnung Juhels etwas nach Süden zurückgesegelt war.
    Um zweieinhalb Uhr maß der junge Seemann eine Reihe von Höhen, während der Frachtfuhrmann die zugehörige vom Chronometer angegebene Zeit aufschrieb. Nach der Rechnung ergab sich dann eine Länge von 54°58’.
     

    Juhel richtete das Fernrohr nach dem Horizont. (S. 191.)
     
    Die Perme befand sich also eine Bogenminute östlich von dem Eilande.
    Plötzlich ließ sich ein Ausruf vernehmen. Ein Araber zeigte nach einer dunkeln Erhebung etwa zwei Meilen im Westen.
    »Mein Eiland!« platzte der Meister Antifer heraus.
     

    »Mein Eiland!« platzte Meister Antifer heraus.« (S. 191.)
     
    Es konnte nur dieses Eiland sein, denn ringsum war kein Land in Sicht.
    Da lief und sprang, taumelte und fuchtelte der Malouin umher, als ob er vom großen Veitstanz befallen wäre. Gildas Tregomain mußte ihn wohl oder übel mit seinen kräftigen Armen festhalten.
    Sofort steuerte die Perme auf den bezeichneten Punkt zu. Bei der leichten Ostbrise, die ihre Segel schwellte, mußte eine halbe Stunde genügen, ihn zu erreichen. Sie kam in der That dahin, und unter Abschätzung des seit der Minute der Beobachtung zurückgelegten Weges, konnte Juhel die Versicherung abgeben, daß die Lage dieses Eilandes den von Kamylk-Pascha erhaltenen Coordinaten desselben entspreche, also der von Thomas Antifer seinem Sohne übererbten Breite von 24°59’ nördlich vom Aequator, und der von Ben Omar nach Saint-Malo überbrachten Länge von 54°57’ östlich von Paris.
    So weit der Blick reichte, überflog er sonst aber nur die öde Wasserwüste des Golfs von Oman.
Sechzehntes Capitel.
Das völlig schlagend beweist, daß Kamylk-Pascha seine Seefahrten wirklich bis nach dem Golf von Oman ausgedehnt hatte.
    Da lag es also vor ihm, jenes Eiland, das Meister Antifer in Gedanken auf den Werth von wenigstens hundert Millionen schätzte. Nicht fünfundsiebzig Centimes hätte er sich abhandeln lassen, wenn die Gebrüder Rothschild es »wie es steht und liegt« hätten kaufen wollen.
    Der äußern Erscheinung nach war es nur eine nackte, dürre Felsmasse ohne jedes Grün, die bei länglich runder Gestalt einen Umfang von

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