Meister Li und der Stein des Himmels
zu einem der angehenden Heiligen, der mich an eine Kröte
erinnerte. Der Mann hatte zwei kleine Lederbecher über den Ohren, die ein
Stirnband festhielt. Meister Li nahm ihm das Stirnband ab. Ich griff nach einem
der Becher, hielt ihn an mein Ohr und hörte das hübsche »Kling-ling-ling« der
Gold-glöckchen, kleine Insekten aus Suzhou, die so lieblich zirpen, daß Witwen
sie in Käfigen neben ihr Kopfkissen stellen, um sich von ihnen in den Schlaf
singen zu lassen. Man sagt auch, Goldglöckchen führen zu reinen Gedanken, und
die Kröte schien ein paar brauchen zu können. Höflich trug ich ein paar
Tattergreise beiseite, damit Meister Li und ich rechts und links der Kröte
Platz nehmen konnten. »Geeh - geeh - geeh ?« säuselten
die Tattergreise. »Geeh - geeh - geeh !« erwiderte ich.
Die blassen
hervorquellenden Augen der Kröte richteten sich langsam auf Meister Li. »Ich
war es nicht«, sagte er. »Zehn Zeugen«, sagte Meister Li. »Alles Lügner. Ihr
könnt mir nichts beweisen .« Die Kröte wandte sich
wieder dem baumelnden Angelhaken zu, preßte trotzig die Lippen zusammen, und
ich bezweifelte, daß selbst Meister Li noch ein Wort aus ihm herausbringen
würde.
»Hsiang, ich beneide Euch«,
sagte Meister Li traurig. »Ihr habt eine so verzückte Vision vom Leben im
Jenseits, daß Ihr diesem Leben den Rücken kehren und solche weltlichen Freuden
wie das Blühen und Gedeihen Eurer Familie aufgeben könnt. Euer Neffe zum
Beispiel. Wie heißt er noch? Cheng? Chou Cheng aus Chao-ch'ing, ein wirklich
vielversprechender junger Mann. Wie ich höre, steht er inzwischen an der Spitze
des ling-chih- Handels und hat den Markt für Teufelsschirm und Feuerbälle
fest in der Hand .« Die Kröte blickte ungerührt
geradeaus. »Außerdem habe ich gehört, er legt einen Teil der Gewinne beiseite,
um sich einen Sitz im Rat der Purpurblütenbande zu kaufen. Ein frühreifes
Bürschchen !« sagte Meister Li bewundernd. »Ich sag ihm
eine große Zukunft voraus, allein schon deshalb, weil er weiß, was er mit
seinem Kapital anfängt.
Letzte Nacht zum Beispiel
habe ich einen netten Burschen mit einem Röhrchen voll Teufelsschirm getroffen,
und eben komme ich darauf, daß er vom Münzenprägen so merkwürdig fleckige
Finger hatte. Außerdem habe ich ihn in Mings Wechselstube ein- und ausgehen
sehen. So ein Mann kennt vermutlich alle möglichen wichtigen Geheimnisse - was
im Keller geschieht, zum Beispiel. Und wißt Ihr, was wir auf dem Weg hierher
gesehen haben? Die Purpurblütenbande ist bei Meng eingebrochen. Ich vermute,
sie wollen nichts stehlen, sondern die Polizei auf einige sehr eigenartige
Dinge dort aufmerksam machen .« Der Angelhaken begann
zu zittern.
»Jeder weiß, daß Mengs
Wechselstube nur eine Fassade für das Geschäft mit Falschgeld ist«, fuhr
Meister Li nachdenklich fort. »Man sagt, der Rädelsführer sei der Zweite
Stellvertretende Finanzminister, und könnt Ihr Euch vorstellen, was wir beim
Einäugigen Wong gesehen haben? Ein kluger junger Mann, der Zugang zu jeder Art littg-chih hat, überreichte der Dame Hou ein paar Feuerbälle und flüsterte
ihr etwas in die hübschen Ohren. Dann ..., nun ja, Ihr kennt die Dame Hou.
Ratet mal, wen sie sich mit ihrem kleinen Dolch ausgesucht hat. Richtig! Den
Zweiten Stellvertretenden Finanzminister. Ich vermute, seine Stellung als König
der Falschmünzer wird nicht von langer Dauer sein. Es würde mich nicht im geringsten überraschen, wenn Euer frühreifer Neffe und seine
Freunde die Sache übernehmen. Es sei denn, jemand köpft sie, bevor das
geschieht .«
Die Kröte ließ die Angel
ins Wasser fallen. »Li Kao, so etwas würdet Ihr doch nicht tun, nicht wahr? Er
ist doch noch ein Junge .«
»Ein reizender Junge, wie
man mir sagt«, stimmte Meister Li liebenswürdig zu.
»Vielleicht ist er ein
bißchen wild. Aber so sind die jungen Leute nun einmal«, sagte die Kröte. »Wenn
er im jugendlichen Ehrgeiz hin und wieder über die Stränge schlägt, muß man ihm
das Nachsehen .«
»Die Jugend bekommt, was
sie will«, sagte Meister Li weise, »manchmal, nachdem man sie mit Trüffeln
gefüllt und mit einer würzigen Sauce Übergossen hat«, fügte er hinzu. »Li Kao,
wenn Ihr für den Geheimdienst arbeitet, kann ich Euch ein paar Tips geben«,
sagte die Kröte hoffnungsvoll. »Nicht nötig«, erwiderte Meister Li. »Ich
brauche nur die Meinung eines Fachmanns, und zwar ohne Umschweife .« Er zog das Stück Pergament hervor und reichte es der
Kröte. »Kennt Ihr
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