0002 - Ich stellte die große Falle
Die Stadtpolizisten glaubten zuerst an einen Raubmord, weil der tote Al keinen Cent bei sich trug, aber dann erfuhren sie rasch, als sie sich in der Gegend, in der er wohnte, erkundigten, daß Yersey eigentlich nie Geld besaß. Er hatte die tragische Laufbahn vieler mittelmäßiger Boxer hinter sich. Erst hatte er ein paar Leute geschlagen und sich Hoffnungen auf einen Kampf um die Weltmeisterschaft gemacht. Er wurde einmal, zwei-, dreimal geschlagen, und schließlich diente er nur noch als Kanonenfutter für Anfänger, denn er war ein sicherer Verlierer geworden, dem spätestens in der dritten Runde die Luft ausging und der dann ziemlich einfach umzusäbeln war. Whisky und lange Nächte und vielleicht auch die Verzweiflung über seine begrenzten Fähigkeiten hatten ihn soweit gebracht. Die paar Dollar, die er damit verdiente, daß er für junge ehrgeizige Männer die unterste Stufe der Leiter zum Erfolg abgab, jagte er durch die Gurgel.
Obwohl also erwiesen war, daß ein Raubmörder an Yersey nur seine Zeit verschwendet hätte, hielt die Polizei an ihrer Version vom Raubmord fest, und sie hatte sogar einen Grund dafür. ›Panther‹ Al Yersey hatte sich vor Jahren von einer seiner ersten größeren Gagen fünfzehn Anzüge und die dazu passenden Hemden und Krawatten auf einen Hieb gekauft. Diese Anzüge sahen noch heute sehr ordentlich aus, und so wirkte Al immer noch ein wenig wohlhabend. Die Polizei nahm also an, der Raubmörder habe sich täuschen lassen und vom Äußeren auf eine dicke Brieftasche geschlossen. Bei dieser Annahme blieb es, denn sie faßte den Mörder des ›Panthers‹ nicht und konnte ihn daher nicht über die Richtigkeit befragen.
Zwei Monate später fanden Arbeiter des Tiefbauamtes in einem Abwasserkanal unter der Baiarie Street die Leiche eines Mannes, die, wie der Polizeiarzt feststellte, schon über eine Woche im Wasser gelegen hatte. Die Identifizierung wurde dadurch erschwert, daß auch dieser Tote Kopfverletzungen aufwies, die sein Gesicht nicht erkennen ließen.
Außerdem trug er keine Jacke, sondern nur einen weißen Kittel über Hemd und Hose, so einen Arbeitskittel, wie ihn Wäschereibesitzer zu tragen pflegen, damit ihre Kunden gleich einen Eindruck von der Sauberkeit bekommen, die ihr Unternehmen garantiert. Übrigens stellte sich heraus, daß der Tote tatsächlich der Besitzer einer kleinen Wäscherei war. Sein Frau hatte ihn vor einer Woche der Polizei als vermißt gemeldet. Er hieß Goody Ghose, aber als er noch boxte, wurde er allgemein ›Goody, die Gans‹ genannt, weil er Plattfüße hatte und so komisch watschelte, wenn er den Ring betrat.
Jawohl, auch Goody Ghose war Boxer gewesen, erst ein Mittelgewichtler, war schnell fett geworden und mußte in der schweren Klasse antreten. Dazu brachte er nicht genügend Dampf in den Fäusten mit, und als er viermal umgehauen worden war, fand Goody den Beruf zu schmerzhaft und hängte die Handschuhe an den Nagel. In gewisser Weise ähnelte die Laufbahn der ›Gans‹ der des ›Panthers‹ Al Yersey, aber Goody war ein viel soliderer Mensch als Al. Er hatte seine Börsen auf die Bank getragen, und als er mit dem Boxen Schluß machte, heiratete er und kaufte sich eine kleine Wäscherei und Färberei in der Bowery, einem ziemlich elenden Viertel von New York. Goody Ghose machte dennoch gute Geschäfte, denn die Mode befahl jedes Frühjahr eine neue Farbe, und die armen Italiener- und Puertoricaner-Mädchen, die dort wohnten, besaßen nicht genügend Geld, um jedes Jahr ihre Kleider fortzuwerfen. So ließen sie sie bei Goody einfärben. Er machte das sehr schön, denn er hatte diesen Beruf erlernt, bevor er seine Gastrolle im Boxring gab. Er verdiente nicht übermäßig, aber da er von Natur aus ein zufriedener Mann war, wurde sein gutmütiges Gesicht immer runder.
Goody Ghose hatte das böse Ende, das er so wenig verdient zu haben schien, in seinem Unternehmen ereilt. Die Gewerkschaft der Arbeiter in chemischen Betrieben führte damals einen Streik durch. Goody, stolz darauf, als Unternehmer zu gelten, hatte sich dem Aufruf der Arbeitgeber angeschlossen, keine Lohnerhöhung zu zahlen. Seine vier Arbeiter stellten darauf die Rührhölzer in die Ecke und gingen. Der ehemalige Boxer stellte sich selber an die Färberbecken. Natürlich schaffte er die Arbeit nicht allein, so blieb er oft bis in die Nacht hinein in seinem kleinen Betrieb.
Die Mordkommission konnte kaum einen Zweifel daran haben, daß Ghose in seiner Färberei getötet
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