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Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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es so: das Erlebnis kam nie allein, immer fl ogen ihm Vögel voraus, immer gingen ihm Boten und Vorzeichen voran, der mütterlich asiatische Tierblick unter jener Tür, die schwarze Dorfschöne im Fenster, dies und das.

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    Eine Sekunde lang empfand er aufzuckend: ›Wäre
    ich zehn Jahre jünger, zehn kurze Jahre, so könnte diese mich haben, mich fangen, mich um den Finger wik-keln! Nein, du bist zu jung, du kleine rote Königin, du bist zu jung für den alten Zauberer Klingsor! Er wird dich bewundern, er wird dich auswendig lernen, er wird dich malen, er wird das Lied deiner Jugend für immer aufzeichnen; aber er wird keine Wallfahrt um dich tun, keine Leiter nach dir steigen, keinen Mord um dich be-gehen und kein Ständchen vor deinem hübschen Balkon bringen. Nein, leider wird er dies alles nicht tun, der alte Maler Klingsor, das alte Schaf. Er wird dich nicht lieben, er wird nicht den Blick nach dir werfen, den er nach der Asiatin, den er nach der Schwarzen im Fenster warf, die vielleicht keinen Tag jünger ist als du. Für sie ist er nicht zu alt, nur für dich, Königin der Gebirge, rote Blume am Berg. Für dich, Steinnelke, ist er zu alt.
    Für dich genügt die Liebe nicht, die Klingsor zwischen einem Tag voll Arbeit und einem Abend voll Rotwein zu verschenken hat. Desto besser wird mein Auge dich trinken, schlanke Rakete, und von dir wissen, wenn du mir lang erloschen bist.«
    Durch Räume mit Steinböden und off enen Bogen
    kam man in einen Saal, wo barocke wilde Stuckfi guren über ho hen Türen emporfl ackerten und rundum auf dunklem Fries gemalte Delphine, weiße Rosse und rosenrote Amoretten durch ein dicht bevölkertes Sagen-meer schwammen. Ein paar Stühle und am Boden die 356
    Teile des zerlegten Flügels, sonst war nichts in dem gro-
    ßen Raum, aber zwei verlockende Türen führten auf die zwei kleinen Balkone über dem strah lenden Opernplatz hinaus, und gegenüber über Eck brüsteten sich die Balkone des Nachbarpalastes, auch sie mit Bil dern bemalt, dort schwamm ein roter feister Kardinal wie ein Gold-fi sch in der Sonne.
    Man ging nicht wieder fort. Im Saale wurden Vorrä-
    te aus gepackt und ein Tisch gedeckt, Wein kam, seltener Weiß wein aus dem Norden, Schlüssel für die Heere von Erinnerungen. Der Klavierstimmer hatte die Flucht ergriff en, der zerstückte Flügel schwieg. Nachdenklich starrte Klingsor in das entblößte Saitengedärme, dann tat er leise den Deckel zu. Seine Augen schmerzten, aber in seinem Herzen sang der Sommertag, sang die sara-zenische Mutter, sang blau und schwellend der Traum von Kareno. Er aß und stieß mit sei nem Glase an Glä-
    ser, er sprach hell und froh, und hinter all dem arbeitete der Apparat in seiner Werkstatt, sein Blick war um die Steinnelke, um die Feuerblume ringsum wie das Wasser um den Fisch, ein fl eißiger Chronist saß in seinem Gehirn und schrieb Formen, Rhythmen, Bewegungen genau wie in ehernen Zahlensäulen auf.
    Gespräch und Gelächter füllten den leeren Saal. Klug und gütig lachte der Doktor, tief und freundlich Ersilia, stark und unterirdisch Agosto, vogelleicht die Malerin, klug sprach der Dichter, spaßhaft sprach Klingsor, beobachtend und ein wenig scheu ging die rote Köni-357
    gin unter ihren Gä sten, Delphinen und Rossen umher, war hier und dort, stand am Flügel, kauerte auf einem Kissen, schnitt Brot, schenkte Wein mit unerfahrener Mädchenhand. Freude scholl im küh len Saal, Augen glänzten schwarz und blau, vor den lichten hohen Balkontüren lag starr der blendende Mittag auf Wache.
    Hell fl oß der edle Wein in die Gläser, holder Gegensatz zum einfachen kalten Mahl. Hell fl oß der rote Schein vom Kleid der Königin durch den hohen Saal, hell und wachsam folgten ihm die Blicke aller Männer. Sie verschwand, kam wieder und hatte ein grünes Brusttuch umgebunden. Sie ver schwand, kam wieder und hatte ein blaues Kopftuch umge bunden.
    Nach Tische, ermüdet und gesättigt, brach man
    fröhlich auf, in den Wald, legte sich in Gras und Moos, Sonnen schirme leuchteten, unter Strohhüten glühten Gesichter, gleißend brannte der Sonnenhimmel. Die Königin der Ge birge lag rot im grünen Gras, hell stieg ihr feiner Hals aus der Hamme, satt und belebt saß ihr hoher Schuh am schlanken Fuß. Klingsor, ihr nahe, las sie, studierte sie, füllte sich mit ihr, wie er als Knabe die Zaubergeschichte von der Königin der Gebirge gelesen und sich mit ihr gefüllt hatte. Man ruhte, man schlummerte, man plauderte, man kämpfte mit

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