Meistererzählungen
ehrenvol-len Arbeit entge gengeht.
Am Morgen gab es, gerade vor seiner Abreise, noch eine kleine unerfreuliche Szene. Es lebte im Kloster ein junger Laienbruder von geringem Verstand, der früher an Epilepsie gelitten hatte, aber seiner zutraulichen Unschuld und rüh renden Dienstwilligkeit wegen von allen im Hause geliebt wurde. Dieser einfältige Bursche begleitete den Pater Mat thias zur Eisenbahn, seine kleine Reisetasche tragend. Schon unterwegs zeigte er ein etwas erregtes und gestörtes Wesen, auf dem Bahnhofe 154
aber zog er plötzlich mit fl ehenden Mie nen den reisefer-tigen Pater in eine menschenleere Ecke und bat ihn mit Tränen in den Augen, er möge doch um Gottes willen von dieser Reise absehen, deren unheilvollen Ausgang ihm eine sichere Ahnung vorausverkünde.
»Ich weiß, Ihr kommt nicht wieder!« rief er weinend mit verzerrtem Gesicht. »Ach, ich weiß gewiß, Ihr werdet nim mer wiederkommen!«
Der gute Matthias hatte alle Mühe, dem Trostlosen, des sen Zuneigung er kannte, zuzureden; er mußte sich am Ende beinahe mit Gewalt losreißen und sprang in den Wagen, als der Zug schon die Räder zu drehen begann. Und im Wegfah ren sah er von draußen das angstvolle Gesicht des Halbklu gen mit Wehmut und Sorge auf sich gerichtet. Der unschein bare Mensch in seiner schäbigen und verfl ickten Kutte winkte ihm noch lange nach, Abschied nehmend und be schwörend, und es ging dem Abreisenden noch eine Weile ein leiser kühler Schauder nach.
Bald indessen überkam ihn die hintangehaltene Freude am Reisen, das er über alles liebte, so daß er die peinliche Szene rasch vergaß und mit zufriedenem Blick und gespannten See lenkräften den Abenteuern und Siegen seines Beutezuges entgegenfuhr, die hügelige und wald-reiche Landschaft leuchtete ahnungsvoll einem glänzenden Tag entgegen, schon von ersten herbstlichen Feuern überfl ogen, und der reisende Pater ließ bald das Brevier wie das kleine wohlgerü
stete Notizbuch ruhen und
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schaute in wohliger Erwartung durchs off ene Wagenfenster in den siegreichen Tag, der über Wälder hinweg und aus noch nebelverschleierten Tälern em porwuchs und Kraft gewann, um bald in Blau und Goldglanz makellos zu erstehen. Seine Gedanken gingen elastisch zwi schen diesem Reisevergnügen und den ihm bevorstehenden Aufgaben hin und wider. Wie wollte er die fruchtbrin-gende Schönheit dieser Erntetage hinmalen, und den nahen siche ren Ertrag an Obst und Wein, und wie würde sich von diesem paradiesischen Grunde das Entsetzliche abheben, das er von den heimgesuchten Gläubigen in dem fernen gottlosen Lande zu berichten hatte!
Die zwei oder drei Stunden der Eisenbahnfahrt vergingen schnell. An dem bescheidenen Bahnhofe, an welchem Pater Matthias ausstieg und welcher einsam neben einem kleinen Gehölz im freien Felde lag, erwartete ihn ein hübscher Ein spänner, dessen Besitzer den geistlichen Gast mit Ehrerbie tung begrüßte. Dieser gab leutselig Antwort, stieg vergnügt in das bequeme Gefährt und fuhr sogleich an Ackerland und schöner Weide vorbei dem stattlichen Dorfe entgegen, wo seine Tätigkeit beginnen sollte und das ihn bald einladend und festlich anlachte, zwischen Weinbergen und Gärten ge legen. Der fröhliche Ankommende betrachtete das hübsche gastliche Dorf mit Wohlwollen. Da wuchs Korn und Rübe, gedieh Wein und Obst, stand Kartoff el und Kohl in Fülle, da war überall Wohlsein und feiste Gedeihlichkeit zu spüren; wie sollte nicht von diesem 156
Born des Überfl usses ein voller Opferbecher auch dem anklopfenden Gaste zugut kommen? Der Pfarrherr empfi ng ihn und bot ihm Quartier im Pfarr hause an, teilte ihm auch mit, daß er schon auf den heutigen Abend des Paters Gastpredigt in der Dorfkirche angekün digt habe und daß, bei dem Ruf des Herrn Paters, ein bedeu tender Zulauf auch aus dem Filialdorfe zu erwarten sei. Der Gast nahm die Schmeichelei mit Liebenswürdigkeit auf und gab sich Mühe, den Kollegen mit Höfl ichkeit ein-zuspinnen, da er die Neigung kleiner Landpfarrer wohl kannte, auf wortgewandte und erfolgreiche Gastspieler ihrer Kanzeln ei fersüchtig zu werden.
Hinwiederum hielt der Geistliche mit einem recht üppigen Mittagessen im Hinterhalt, das alsbald nach der Ankunft im Pfarrhause aufgetragen wurde. Und auch hier wußte Mat thias die Mittelstraße zwischen Pfl icht und Neigung zu fi n den, indem er unter schmeichelnder Anerkennung hiesiger Küchenkünste dem
Dargebotenen mit gesunder Begierde zusprach, ohne doch – zumal beim Weine
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