Meistererzählungen
– ein ihm be kömmliches Maß zu überschreiten und seiner Aufgabe zu vergessen.
Gestärkt und fröhlich konnte er schon nach einer ganz kurzen Ruhepause dem Gastgeber mitteilen, er fühle sich nun ganz in der Stimmung, seine Arbeit im Weinberge des Herrn zu beginnen. Hatte also der Wirt etwa den schlim men Plan gehabt, unseren Pater durch die so reichliche Be wirtung lahmzulegen, so war er ihm völlig mißlungen.
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Dafür hatte nun allerdings der Pfarrer dem Gast eine Ar beit eingefädelt, welche an Schwierigkeit und Deli-katesse nichts zu wünschen ließ. Seit kurzem lebte im Dorf, als am Heimatorte ihres Mannes, in einem neu erbauten Landhause die Witwe eines reichen Bierbrauers, die wegen ihres skepti schen Verstandes und ihrer anmutig gewandten Zunge nicht minder bekannt und mit Scheu geachtet war als wegen ihres Geldes. Diese Frau Franziska Tanner stand zuoberst auf der Liste derer, deren spezielle Heimsuchung der Pfarrer dem Pater Matthias ans Herz legte.
So erschien, auf das zu Gewärtigende vom geistlichen Kol legen wenig vorbereitet, der satte Pater zu guter Nachmit tagsstunde im Landhause und begehrte mit der Frau Tanner zu sprechen. Eine nette Magd führte ihn in das Besuchszim mer, wo er eine längere Weile warten mußte, was ihn als eine ungewohnte Respekt-losigkeit verwirrte und warnte. Alsdann trat zu seinem Erstaunen nicht eine ländliche Person und schwarzge-kleidete Witwe, sondern eine grauseidene damen hafte Erscheinung in das Zimmer, die ihn gelassen willkommen hieß und nach seinem Begehren fragte.
Und nun versuchte er der Reihe nach alle Register, und je des versagte, und Schlag um Schlag ging ins Leere, während die geschickte Frau lächelnd entglitt und von Satz zu Satz neue Angeln auslegte. War er weihe-voll, so begann sie zu scherzen; neigte er zu geistlichen Bedrohungen, so ließ sie harmlos ihren Reichtum und 158
ihre Lust zu mildtätigen Wer ken glänzen, so daß er aufs neue Feuer fi ng und ins Disputieren kam, denn sie ließ ihn deutlich merken, sie kenne seine Endabsicht genau und sei auch bereit, Geld zu geben, wenn es ihm nur gelänge, ihr die tatsächliche Nützlichkeit einer solchen Gabe zu beweisen. War es ihr kaum gelungen, den gar nicht ungeschickten Herrn in einen leichten geselligen Weltton zu verstricken, so redete sie ihn plötzlich wieder de vot mit Hochwürden an, und begann er sie wieder geistlicherweise als Tochter zu ermahnen, so war sie unversehens eine kühle Dame.
Trotz dieser Maskenspiele und Redekämpfe hatten die beiden ein Gefallen aneinander. Sie schätzte an dem hüb schen Pater die männliche Aufmerksamkeit, mit der er ihrem Spiel zu folgen und sie im Besiegen zu schonen suchte, und er hatte mitten im Schweiß der Bedrängnis eine heimliche na türliche Freude an dem Schauspiel weiblich beweglicher Ko ketterie, so daß es trotz schwieriger Augenblicke zu einer ganz guten Unterhaltung kam und der lange Besuch in gu tem Frieden verlief, wobei unausgesprochenerweise freilich der moralische Sieg auf der Seite der Dame blieb. Sie übergab zwar dem Pater am Ende eine Banknote und sprach ihm und seinem Orden ihre Anerkennung aus, doch geschah es in ganz gesellschaftlichen Formen und beinahe mit einem Hauch von Ironie, und auch sein Dank und Abschied fi el so diskret und weltmännisch aus, daß er sogar den üblichen leierlichen Segensspruch vergaß.
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Die weiteren Besuche im Dorf wurden etwas abge-
kürzt und verliefen nach der Regel. Pater Matthias zog sich noch eine halbe Stunde in seine Stube zurück, aus welcher er wohl bereitet und frisch zur Abendpredigt wieder hervorging.
Diese Predigt gelang vortreffl
ich. Zwischen den im
entle genen Süden geplünderten Altären und Klöstern und dem Bedürfnis des eigenen Klosters nach einigen Geldern ent stand ganz zauberhaft ein inniger Zusammenhang, der weni ger auf kühlen logischen Folgerun-gen als auf einer mit Kunst erzeugten und gesteigerten Stimmung des Mitleids und un
bestimmter frommer
Erregung beruhte. Die Frauen weinten, und die Opferbüchsen klangen, und der Pfarrer sah mit Er staunen die Frau Tanner unter den Andächtigen sitzen und dem Vortage zwar ohne Aufregung, doch mit freundlichster Aufmerksamkeit lauschen.
Damit hatte der feierliche Beutezug des beliebten Paters seinen glänzenden Anfang genommen. Auf seinem Angesicht glänzte Pfl ichteifer und herzliche Befriedigung, in seiner verborgenen Brusttasche ruhte und wuchs der kleine Schatz, in einige gefällige Banknoten und
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