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Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Goldstücke umgewechselt. Daß inzwischen die größeren Zeitungen draußen in der Welt berichteten, es stehe um die bei jener Revolution geschädig ten Klö-
    ster bei weitem nicht so übel, als es im ersten Wirr warr geschienen habe, das wußte der Pater nicht und hätte sich dadurch wohl auch wenig stören lassen.

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    Sechs, sieben Gemeinden hatten die Freude, ihn bei sich zu sehen, und die ganze Reise verlief aufs erfreu-lichste. Nun, in dem er sich schon gegen die protestantische Nachbargegend hin dem letzten kleinen Weiler näherte, den zu besuchen ihm noch oblag, nun dachte er mit Stolz und Wehmut an den Glanz dieser Triumph-tage und daran, daß nun für eine unge wisse Weile Klo-sterstille und mißmutige Langeweile den ge nußreichen Erregungen seiner Fahrt nachfolgen würden.
    Diese Zeiten waren dem Pater stets verhaßt und ge-fährlich gewesen, da das Geräusch und die Leidenschaft einer frohen außerordentlichen Tätigkeit sich legte und hinter den präch tigen Kulissen der klanglose Alltag hervorschaute. Die Schlacht war geschlagen, der Lohn im Beutel, nun blieb nichts Lockendes mehr als die kurze Freude der Ablieferung und Anerkennung daheim, und diese Freude war auch schon keine richtige mehr.
    Hingegen war von hier der Ort nicht weit entfernt, wo er sein merkwürdiges Geheimnis verwahrte, und je mehr die Feststimmung in ihm verglühte und je näher die Heimkehr bevorstand, desto heftiger ward seine Begierde, die Gelegenheit zu nützen und einen wilden frohen Tag ohne Kutte zu genießen. Noch gestern hätte er davon nichts wissen mögen, allein so ging es jedesmal, und er war es schon müde, dage gen anzukämpfen: am Schluß einer solchen Reise stand im mer der Versucher plötzlich da, und fast immer war er ihm unterlegen. So ging es auch dieses Mal. Der kleine Weiler wurde noch 161
    besucht und gewissenhaft erledigt, dann wan derte Pater Matthias zu Fuße nach dem nächsten Bahnhof, ließ den nach seiner Heimat führenden Zug trotzig davon fahren und kaufte sich ein Billett nach der nächsten größeren Stadt, welche in protestantischem Lande lag und für ihn si cher war. In der Hand aber trug er einen kleinen hübschen Reisekoff er, den gestern noch niemand bei ihm gesehen hatte.
    Am Bahnhof eines lebhaften Vorortes, wo bestän-
    dig viele Züge aus- und einliefen, stieg Pater Matthias aus, den Koff er in der Hand, und bewegte sich ruhig, von niemandem beach tet, einem kleinen hölzernen Ge-bäude zu, auf dessen weißem Schilde die Inschrift ›Für Männer‹ stand. An diesem Ort ver hielt er sich wohl eine Stunde, bis gerade wieder mehrere an kommende Züge ein Gewühl von Menschen ergossen, und da er in diesem Augenblicke wieder hervortrat, trug er wohl noch denselben Koff er bei sich, war aber nicht der Pater Matthias mehr, sondern ein angenehmer, blühender Herr in guter, wennschon nicht ganz modischer Kleidung, der sein Gepäck am Schalter in Verwahrung gab und alsdann ruhig der Stadt entgegenschlenderte, wo er bald auf der Plattform eines Trambahnwagens, bald vor einem Schaufenster zu se hen war und endlich im Straßengetöse sich verlor.
    Mit diesem vielfach zusammengesetzten, ohne Pau-se schwingenden Getöne, mit dem Glanz der Geschäf-te, dem durchsonnten Staub der Straßen atmete Herr 162
    Matthias die berauschende Vielfältigkeit und liebe Far-bigkeit der törich ten Welt, für welche seine wenig ver-dorbenen Sinne emp fänglich waren, und gab sich jedem frohen Eindruck willig hin. Es schien ihm herrlich, die eleganten Damen in Federhü ten spazieren oder in feinen Equipagen fahren zu sehen, und köstlich, als Früh-stück in einem schönen Laden von marmor nem Tische eine Tasse Schokolade und einen zarten, süßen französischen Likör zu nehmen. Und daraufhin, innerlich erwärmt und erheitert, hin und wider zu gehen, sich an Pla katsäulen über die für den Abend versprochenen Unterhal tungen zu unterrichten und darüber nachzudenken, wo es nachher sich am besten zu Mittag werde speisen lassen; das tat ihm in allen Fasern wohl. Allen diesen größeren und klei neren Genüssen ging er ohne Eile in dankbarer Kindlichkeit nach, und wer ihn dabei beobachtet hätte, wäre niemals auf den Gedanken gekommen, dieser schlichte, sympathische Herr könnte verbotene Wege gehen.
    Ein treffl
    iches Mittagessen zog Matthias beim schwar-
    zen Kaff ee und einer Zigarre weit in den Nachmittag hinein. Er saß nahe an einer der gewaltigen bis zum Fußboden reichen den Fensterscheiben des Restaurants und

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