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Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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wohligste Harmlosigkeit. Erfreut nahm ich ihre warme, gepolsterte Hand.
    Sie musterte mich wie ein Fabeltier und sagte dann halb lachend: »Also Sie sind der Herr Hesse! Na, ist schön, ist schön. Nein, aber daß Sie eine Brille tragen!«
    »Ich bin etwas kurzsichtig, gnädige Frau.«
    Sie schien die Brille trotzdem sehr komisch zu fi n-205
    den, was ich nicht recht begriff . Aber sonst gefi el mir die Hausfrau sehr. Hier war solides Bürgertum; es würde gewiß ein vor zügliches Essen geben.
    Einstweilen wurde ich in den Salon geführt, wo eine Palme einsam zwischen unechten Eichenmöbeln stand.
    Die ganze Einrichtung zeigte sich lückenlos in jenem schlechtbürgerli
    chen Stil unserer Väter und älteren
    Schwestern, den man sel ten mehr in solcher Reinheit antriff t. Meine Augen blieben gebannt an einem glei-
    ßenden Gegenstande hängen, den ich bald als einen ganz und gar mit Goldbronze bestrichenen Stuhl erkannte.
    »Sind Sie immer so ernst?« fragte die Dame mich nach ei ner fl auen Pause.
    »O nein«, rief ich schnell, »aber entschuldigen Sie: warum haben Sie eigentlich diesen Stuhl vergolden lassen?«
    »Haben Sie das noch nie gesehen? Es war eine Zeitlang sehr in Mode, natürlich nur als Ziermöbel, nicht zum Draufsitzen. Ich fi nde es sehr hübsch.«
    Herr Schievelbein hustete: »Jedenfalls hübscher als das verrückte moderne Zeug, was man jetzt bei jungverheirate ten Leuten sehen muß. – Aber können wir noch nicht es sen?«
    Die Hausfrau erhob sich, und eben kam das Mädchen, uns zum Essen zu bitten. Ich bot der Gnädigen den Arm, und wir wandelten durch ein ähnlich prunkvoll aussehendes Gemach in das Speisezimmer und einem kleinen 206
    Paradies von Frie den, Stille und guten Sachen entgegen, das zu beschreiben ich mich nicht fähig fühle.
    Ich sah bald, daß man hier nicht gewohnt war, sich neben dem Essen her mit Unterhaltung anzustrengen, und meine Furcht vor etwaigen literarischen Gesprä-
    chen fand sich an genehm enttäuscht. Es ist undankbar von mir, aber ich lasse mir ungern ein gutes Essen von den Wirten dadurch verder ben, daß man mich fragt, ob ich den Jörn Uhl auch schon ge lesen habe und ob ich Tolstoj oder Ganghofer hübscher fi nde. Hier war Sicherheit und Friede. Man aß gründlich und gut, sehr gut, und auch den Wein muß ich loben, und unter sachlichen Tafelgesprächen über Weinsorten, Gefl ügel und Suppen verrann selig die Zeit. Es war herrlich, und nur ein mal gab es eine Unterbrechung. Man hatte mich um meine Meinung über das Füllsel der jungen Gans gefragt, an der wir aßen, und ich sagte so etwas wie: das seien Gebiete des Wissens, mit welchen wir Schriftsteller meist allzuwenig zu tun bekämen. Da ließ Frau Schievelbein ihre Gabel sinken und starrte mich aus großen runden Kinderaugen an: »Ja, sind Sie denn auch Schriftsteller?«
    »Natürlich«, sagte ich ebenfalls verwundert. »Das ist ja mein Beruf. Was hatten Sie denn geglaubt?«
    »Oh, ich dachte, Sie reisen eben immer so herum und hal ten Vorträge. Es war einmal einer hier – Emil, wie hieß er gleich? Weißt du, der, der damals diese bayri-schen Volkslie der vorgetragen hat.«
    »Ach, der mit den Schnadahüpferln – –« Aber auch 207
    er konnte sich des Namens nimmer erinnern. Und auch er sah mich verwundert an und gewissermaßen mit etwas mehr Re spekt, und dann nahm er sich zusammen, erfüllte seine ge sellschaftliche Pfl icht und fragte vorsichtig: »Ja, und was schreiben Sie da eigentlich? Wohl fürs Th
    eater?«
    Nein, sagte ich, das hätte ich noch nie probiert. Nur so Ge dichte, Novellen und solche Sachen.
    »Ach so«, seufzte er erleichtert. Und sie fragte: »Ist das nicht furchtbar schwer?«
    Ich sagte nein, es ginge an. Herr Schievelbein aber hegte noch immer irgendein Mißtrauen.
    »Aber nicht wahr«, fi ng er nochmals zögernd an,
    »ganze Bücher schreiben Sie doch nicht?«
    »Doch«, mußte ich bekennen, »ich habe auch schon ganze Bücher geschrieben.« Das stimmte ihn sehr nachdenklich. Er aß eine Weile schweigend fort, dann hob er sein Glas und rief mit etwas angestrengter Munterkeit:
    »Na, prosit!«
    Gegen den Schluß der Tafel wurden die Leute beide zuse hends stiller und schwerer, sie seufzten verschiedene Male tief und ernst, und Herr Schievelbein legte eben die Hände über der Weste zusammen und wollte einschlafen, da mahnte ihn seine Frau: »Erst wollen wir noch den schwarzen Kaff ee trinken.« Aber auch sie hatte schon ganz kleine Augen.
    Der Kaff ee war nebenan serviert; man

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