Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
Vom Netzwerk:
schmerzlichen Stich. Mathildas Miene gefror. Sie machte aus ihrer Enttäuschung keinen Hehl. Wie eiskalt und streng diese freundliche Frau sein kann, dachte Gunnora.
    Viel zu spät gestand sie sich ein, wie gern sie Mathilda gehabt hatte und dass diese wie eine Mutter für sie gewesen war, verständnisvoll, hilfreich, aber auch fordernd.
    Nun maß die ältere Frau sie eine Weile wie eine Fremde, ehe sie sie kühl fragte: »Du wagst es, zurückzukommen?«
    Gunnora schluckte. So betroffen sie auch war – niemals würde sie um Gnade bitten, niemals um Verständnis winseln. »Ich muss ihn sprechen«, sagte sie schlicht.
    Mathilda musterte sie lange und reagierte zunächst nicht. Erst als die Männer näher kamen, hob sie die Hand. »Ich kümmere mich darum.«
    Raunen brandete auf, aber niemand schritt ein.
    »Gib mir die Mädchen«, sagte Mathilda schließlich und gab Duvelina und Wevia ein Zeichen, ihr zu folgen.
    Ob sie helfen würde, Gunnoras Wunsch zu erfüllen, sagte sie nicht. Die Mädchen folgten ihr bereitwillig, und obwohl Mathilda sich kein einziges Mal nach ihr umdrehte, ging auch Gunnora ihr nach. Immer mehr Blicke zog sie nun auf sich – sogar die Konkubinen kamen aus dem Haus geeilt, die Mägde und Sklavinnen.
    Hier geht sie, die Verräterin, sie wollte ihn töten.
    Keiner sprach diese Worte aus, aber Gunnora hörte sie nur allzu laut. Selbst dann noch, als sie aus dem Blickfeld der anderen entschwunden waren, schienen sie sie zu verfolgen und hallten von den steinernen Wänden der Therme, in die Mathilda sie führte, wider. Sie half Wevia und Duvelina, sich zu waschen, und gab ihnen frische Kleidung. Gunnora missachtete sie, doch sie hinderte sie nicht daran, sich auch etwas von dem warmen Wasser zu nehmen, und später reichte sie ihr ein schlichtes, aber sauberes Kleid.
    »Ich … ich hätte ihn niemals getötet«, stammelte Gunnora.
    Mathilda schwieg beharrlich, gab ihr dennoch einen Kamm. Ihr Haar war noch länger gewachsen, schon weit über die Hüften, bald würden die Spitzen ihre Kniekehlen erreichen. Es war kaum zu bändigen, aber Gunnora fuhr durch Strähne um Strähne und achtete nicht auf das schmerzhafte Ziepen.
    Als sie fertig war, brach Mathilda endlich das Schweigen. »Du hast es geschafft, sein Herz zu gewinnen«, zischte sie, »wie konntest du dich nur auf die Seite seiner Feinde stellen?«
    Gunnora zögerte. »Ich habe mich geirrt«, gestand sie schließlich offen ein, »ich wusste nicht, dass seine Feinde auch meine sind.«
    Mathilda hob nun doch den Blick. »Es ehrt dich, dass du dein Unrecht einsiehst.« Sie hielt einen Moment inne. »Aber das musst du ihm sagen, nicht mir. Und ich glaube nicht, dass er dir verzeihen wird.«
    Gunnora traf Richard nicht allein an. Sie war sich nicht sicher, ob das die Sache leichter machte oder schwerer. Raoul von Ivry war bei ihm, sein Bruder, der ob ihres Erscheinens nicht betroffen wirkte wie der Graf, sondern dazu verleitet, Späße zu machen.
    »Du hast Glück, Bruder, wie es aussieht, ist sie heute nicht bewaffnet.«
    Er legte seinen Kopf in den Nacken und lachte. Offenbar fand er die Vorstellung nicht weiter schlimm, von einem Menschen, mit dem man viele Nächte verbracht hat, getötet zu werden. Vielleicht hatte er schon öfter mit dem Gedanken gespielt, seine gestrenge Gattin Ermentrude zu ermorden.
    Richard lachte nicht, und er sah auch nicht aus, als hätte er es jüngstens getan. Blaue Ringe unter seinen Augen kündeten von großen Sorgen.
    Woher sie wohl rühren?, fragte sich Gunnora. Was ist in der Zwischenzeit geschehen? Wie viele Feinde machen ihm das Leben schwer?
    Erst jetzt ging ihr auf, wie sehr sie es vermisst hatte, mit ihm über Politik zu reden und von seinen verborgensten Ängsten zu hören. Nie wieder würde er sie ihr anvertrauen. Nun war auch sie eine Feindin.
    »Ich wollte dich nicht töten«, sagte sie leise.
    Er war auf seinem Stuhl sitzen geblieben, als sie eingetreten war, jetzt sprang er auf. Doch so schnell die Bewegung ausfiel, so starr blieben seine Züge.
    »Schweig!«
    Wie sollte sie schweigen, wenn sie doch alles verloren hatte, nur nicht die Macht der Worte!
    »Wirklich nicht!«, rief sie verzweifelt. »Ich wollte in meine Heimat zurückkehren, ich wollte dich nicht vernichten!«
    Raoul hatte zu lachen aufgehört und offensichtlich kein Bedürfnis, länger in die Abgründe ihres Herzens zu schauen oder in die seines Bruders. Er ging wortlos.
    »Agnarr ist einer meiner schlimmsten Feinde«, murmelte Richard,

Weitere Kostenlose Bücher