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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Reichtum und Abenteuer – ins Frankenreich. Sie haben das Gebiet um die Seine so stark verwüstet, dass es heißt, kein Laut sei mehr zu hören gewesen, als sie wieder abzogen, nicht einmal das Bellen eines Hundes.«
    Gunnora unterdrückte ein Schaudern. »Aber es sind doch nicht alle Dänen Krieger und Eroberer. Meine Eltern waren friedliche Menschen, die sich hier eine Zukunft erhofften. Unter denen, die gekommen sind, gibt es gewiss viele ihres Geistes.«
    »Nun, das weiß ich nicht. Aber ich denke, dass auch ihr König, Harald Blauzahn, nicht wollen würde, dass seine Landsmänner so weit gehen. Wusstest du eigentlich, dass er sich hat taufen lassen?«
    Gunnora schüttelte den Kopf.
    »Doch, doch«, fuhr Mathilda fort. »Ein gewisser Poppo hat ihn überzeugt, ein Missionar. Es heißt, er habe sich mit Harald auf eine Wette eingelassen, die er am Ende gewann. Er behauptete, glühendes Eisen berühren zu können, ohne seine Hand zu verletzen, weil Gott ihn vor jeglicher Brandwunde bewahren würde. Und tatsächlich hat er es getan, ohne den geringsten Schmerz zu fühlen. Seine Haut war danach weich und rosig wie die eines Kindes.«
    Gunnora runzelte die Stirn. »Glaubst du, dass das wirklich möglich ist? Oder war es nur ein Schwindel?«
    »Ich glaube, dass die Taufe großen praktischen Nutzen für Harald hat, weil er als Christ keine Tributzahlungen an den Kaiser mehr leisten muss. Wie es in seinem Herzen aussieht, weiß ich nicht, aber so oder so hat er die Zeichen der Zeit erkannt.« Sie musterte Gunnora eingehend. »Das solltest du auch«, sagte sie schließlich sanft.
    Gunnora hatte eben den Humpen Dickmilch zu den Lippen geführt, nun ließ sie ihn wieder sinken, ohne einen Schluck genommen zu haben. »Was hat das alles denn mit mir zu tun?«, fragte sie erstaunt.
    Mathilda rückte näher, steckte plötzlich voller Eifer. »Bedenke: Richard muss alle Dänen unter seiner Autorität vereinen. Er muss ihnen beweisen, dass er Heiden nicht grundsätzlich anfeindet, sie vielmehr in seinem Land willkommen heißt.« Sie hielt inne und sah Gunnora lauernd an. »Und das würde ihm umso besser gelingen, könnte er auf eine dänische Frau an seiner Seite verweisen.«
    Gunnora brauchte eine Weile, bis sie begriff, was die andere von ihr wollte, schüttelte dann aber umso entschiedener den Kopf.
    »Welch närrische Idee, ich könnte diese Frau sein! Er will mich nicht mehr sehen. Und er wird mir nie verzeihen.«
    »Nicht, wenn du nichts dafür tust.«
    »Aber was soll ich denn tun? Zu viele Fehler lastet er mir an, zu viele falsche Entscheidungen. Und er hat recht. Blicke ich zurück auf die letzten Jahre, so wünschte ich, ich könnte sie mit meinem jetzigen Wissen neu erleben.«
    »Das kannst du nicht, und das musst du nicht.« Sie seufzte. »Auch aus dem Mund eines begnadeten Sängers können Misstöne fließen. Sie stören sein Lied nicht, vorausgesetzt, der letzte Ton ist kraftvoll und stark.«
    Gunnora atmete tief ein. »So leicht ist es nicht, das Üble aus der Welt zu schaffen.«
    »Glaub mir!« Unwillkürlich nahm Mathilda ihre Hand und streichelte sie. »Ich lebe seit Jahren hier bei Hofe in Frieden, doch in jungen Jahren habe ich die Abgründe menschlicher Seelen geschaut. Ich habe Menschen gewaltsam sterben sehen, zu junge und zu unschuldige, ich habe selbst keine jener Sünden ausgelassen, von denen die Priester sagen, sie führten zu ewiger Verdammnis, ob Mord oder Verrat oder Zweifel an Gott.«
    Gunnora fiel es schwer, der sanften Frau dergleichen zuzutrauen. »Mir scheint, du selbst verdammst dich nicht dafür«, murmelte sie.
    Mathilda schüttelte den Kopf. »Ich tat es, weil ich es tun musste. Aber es ist nicht das Einzige, was an meinem Namen haften blieb.«
    »Hm«, machte Gunnora, »doch werden die letzten Töne eines Lieds auch noch so schön und kräftig gesungen – eine Brücke über die Abgründe können sie dennoch nicht bauen, zumindest keine, die dem Gewicht des Menschen standhält.«
    »Das nicht«, gab Mathilda zu. »Aber ich kann dir eine andere Brücke zeigen, komm mit.«
    Mathilda erhob sich und verließ den Raum, ohne sich noch einmal nach Gunnora umzudrehen. Nach einigem Zögern folgte diese ihr. Das Kind trat gegen ihren Bauch, und sie verspürte ein schmerzhaftes Ziehen im Rücken. Drei, vier Monate noch, und es wäre groß und kräftig genug, den Kampf anzutreten. Und das Leben war ein Kampf, immer und immer wieder.
    Gunnoras Füße waren schwer und schmerzten bei jedem Schritt, aber

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