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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Meer, hatten ihm Guomundr und Aegla stets eingeschärft. Doch was er erreicht hatte, glich Glasperlen, die zertreten wurden, Sand, der vom Wind verweht wurde, und einem Tümpel, in dessen morastigem Boden er stecken geblieben war.
    Nachdem Richard einen Großteil der Dänen für sich gewonnen hatte, machte er Jagd auf ihn und die wenigen verbliebenen Getreuen, die sich nicht daran störten, dass er ein Mörder war, und die darauf setzten, dass er nicht ewig ein Verfolgter blieb. Doch vorerst war er genau das. Agnarr blieb nichts anderes übrig, als immer weiter vor Richards Heer zu fliehen – erst in den Westen, dann Richtung Süden. Er begnügte sich nicht, die Grenze der Normandie zu überschreiten, sondern trieb seine Männer weiter an. Um sie bei Laune zu halten, überfielen sie in der Bretagne manches Kloster. Die meisten waren nicht reich, doch es lebten immer gerade genug Mönche dort, um ihre Mordlust zu befriedigen. Seinen Männern genügte das, sie folgten ohne Murren – in ihm selbst jedoch erwachten manchmal Zweifel, ob er nicht die gänzlich falsche Richtung nahm. Er stammte doch aus dem Norden – würde die Sonne des Südens ihn nicht verbrennen?
    Seine Mutter ertrug die Reise noch schwerer, wurde immer fahler, müder und dürrer, vor allem aber mitleidslos gegen sich selbst.
    An einem Morgen weigerte sie sich, das Pferd erneut zu besteigen. »Lass mich hier … ich gehe lieber zugrunde, als meinem Sohn bei der Flucht zuzusehen.«
    Agnarr blickte sich um. Sie waren in einer unwirtlichen Gegend voller Moore und dichter Wälder. »Was willst du hier, außer zu sterben?«, fuhr er sie an, obwohl er sich geschworen hatte, nie wieder mit ihr zu reden und sie keines Blickes mehr zu würdigen. »Und wenn du hier stirbst«, fuhr er fort, »wirst du als Tote ewig herumirren und nie den Weg ins Totenreich finden.«
    »Dein Vater hat ihn auch nicht gefunden. Manchmal fühle ich seine Nähe … er genügt mir als Gesellschaft.«
    Agnarr erschauderte. Als Kind hatten ihn diese Geschichten zutiefst verängstigt, und selbst jetzt noch war die Vorstellung, dass die Toten in den Erdhügeln wohnten und die Gemeinschaft der Lebenden heimsuchten, unheimlich. Vielleicht hatte es sein Gutes, wenn seine Mutter hierblieb. Unmöglich würde ihr Geist aus den Wäldern finden, und wenn der Vater an ihrer Seite stand, war das umso besser.
    Er widersprach nicht länger, sondern nickte ihr lediglich zu. Es war kein würdiges Lebewohl, nicht einmal ein Zeichen, dass er um die Endgültigkeit ihres Abschieds wusste. Rasch gab er dem Pferd die Sporen und ritt aus ihrer Sichtweite, aber selbst dann noch vermeinte er ihren brennenden Blick zu spüren, und plötzlich hätte er schwören können, dass Aegla nicht sterben, sondern ein Waldgeist werden würde, der mit Elfen tanzte und Zwerge ins Sonnenlicht lockte, damit sie zu Stein erstarrten.
    Nie wieder, schwor er sich, werde ich an diesen Ort zurückkehren.
    Irgendwann jedoch würde er wieder normannischen Boden betreten. Auch wenn es ihm nie gelingen sollte, Richard vom Thron zu stürzen – die schwarze Dänin würde er töten, auf dass er nicht länger an ihrem Namen ersticken musste.
    Gunnora.

    Die Taufe, so hatte Alruna es gelernt, schuf den Menschen neu. Er legte sein bisheriges Leben ab wie ein Kleid, trat gänzlich nackt vor Gott und wurde durch Christi Siegel wie eine noch glatte Münze geprägt, die fortan nie wieder an Wert verlöre.
    Sie fragte sich, ob auch sie neu werden würde, wenn sie nicht bereits als Kind getauft worden wäre, ob sie vergessen würde zu lieben und zu hassen, verbittert zu sein und rachsüchtig, verzweifelt und einsam. Sie hätte es sich gewünscht, ahnte jedoch, dass es nicht so leicht war, sich selbst loszuwerden, und traute noch weniger der Tatsache, dass Gunnora eine Neue würde.
    Sie hatte Richard verhext. Sie hatte ihn ermorden wollen. Sie liebte ihn nicht so wie sie.
    Was machte es für einen Unterschied, dass der Bischof von Rouen bereit war, sie zu taufen? Dass sie sich im christlichen Glauben unterweisen ließ? Dass sie sieben Tage lang die weiße Kleidung eines Katechumenen trug und an Messen teilnahm? Dass Richard in ihrem Namen acht Kirchen teure Geschenke machte – Monstranzen, Goldgefäße, Kruzifixe, desgleichen Metall und Edelsteine, die künftig Altäre und Schreine, Bucheinbände und Gewänder zieren würden?
    Auch Notre-Dame, die Hauptkirche von Rouen, wurde verschönert, und hier fand die Zeremonie schließlich statt: Gunnora

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