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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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legte die Oberkleidung ab, sodass der Priester sie von Kopf bis Fuß mit geweihtem Wasser besprengen konnte. Danach fragte er, ob sie an Vater, Sohn und den Heiligen Geist glaube, und nachdem sie bejahte, wurden ihre Stirn, Ohren, Nase und Brust mit dem heiligen Öl gesalbt, und man warf ihr ein Gewand aus weißem Leinen über. Danach trat sie zum Altar und empfing zum ersten Mal das Abendmahl. Sie trug nun neben ihrem heidnischen Namen auch einen christlichen: Albereda.
    Niemand sprach sie so an, aber alle schienen überzeugt, dass sie nun wahrhaft Christin war und bedingungslos zu Richard stand. Er selbst, Mathilda, ihre kleinen Schwestern, auch Seinfreda, die nur für das Fest nach Rouen gekommen war, die vielen Menschen und den Lärm scheute, aber an Fröhlichkeit Gunnora übertraf.
    »Nun bist du endlich angekommen«, hörte Alruna sie nach der Taufe sagen.
    Gunnora erwiderte ihre Umarmung, sagte jedoch nichts. Andere tuschelten aufgeregter: Sowohl die vornehmen Töchter als auch die einfachen Mägde erregten sich ob Seinfredas schwarzer Fingernägel und noch mehr ob ihrer schlichten Gewänder. Wie ein Bauernweib sehe sie aus, lästerten sie, und warum Gunnora sich nicht die Mühe gemacht habe, sie neu einzukleiden und mit Schmuck zu beschenken.
    Nun, dachte Alruna, es hätte sich wohl kaum gelohnt, da Seinfreda noch am selben Tag zu ihrem Mann in den Wald zurückkehrte. Dass Gunnora darob litt, erfüllte sie mit Schadenfreude. Dass Seinfreda dennoch strahlte, mit Neid. Sie hat doch schon so viel, ging es ihr durch den Kopf, Richards Kind, Richards Liebe, die Achtung meiner Mutter, den Respekt der Dienerschaft … warum auch Schwestern, die sie von Herzen lieben und die zu ihr aufsehen? Warum wird ihr eine Fülle an Zuneigung entgegengebracht, während ich darbe? Am allermeisten verbitterte sie, dass selbst ihr Vater Arvid den Tag der Taufe als Fest erlebte.
    Am Abend beim Mahl trat Alruna zu ihm. »Du mochtest sie doch auch nicht«, spie sie aus.
    Arvid blickte seine Tochter verwundert an. »Aber du weißt, was geschehen ist! Sie hat zum Frieden im Land maßgeblich beigetragen. Wer, wenn nicht sie hat die Heiden von Jeufosse überzeugt, sich taufen zu lassen – zumindest die meisten? Und die anderen sind auf die iberische Halbinsel geflohen. Auch dort werden gottesfürchtige Menschen unter ihnen leiden, das hingegen ist nicht mehr unsere Sache.«
    Alruna konnte die Heiden verstehen. So gern wäre auch sie geflohen. So gern hätte auch sie sich ihres bisherigen Lebens entledigt, hätte es gern im Staub zertrampelt.
    Aber sie musste bleiben. Sie musste zusehen, wie Gunnora in den nächsten Tagen und Wochen wieder die Haushaltsführung übernahm, wie ihr alle Respekt bekundeten, wie sie Nacht für Nacht zu Richard ins Turmzimmer hochstieg, wie ihre kleinen Schwestern Schmuck bekamen, wie ihr Leib sich immer mehr rundete. Auch wenn sie nicht mit Richard verheiratet war – jeder betrachtete sie als die Gräfin.
    Gunnora wusste nicht, wo die einstigen Konkubinen nun lebten – auf jeden Fall nicht länger am Hof von Rouen, was bedeutete, dass sie deren ehemaliges Wohnhaus für sich und die Schwestern allein hatte und die Mägde nunmehr ihnen dienten. Manche ihrer Blicke fielen zunächst ängstlich aus, denn eine Frau, die so viel Macht über den Grafen hatte, war ihnen fremd und schien darob gefährlich. Doch Gunnora war freundlich, sodass aus der Furcht mit der Zeit Achtung wurde.
    Nur zwei zeigten diese auch weiterhin nicht. Da war Alruna, deren Blicke giftigen Pfeilen glichen, und da war Gyrid, die bislang erfolgreich verheimlicht hatte, dass sie zu den dänischen Aufständischen gehörte und sich Richards Tod gewünscht hatte.
    Gunnora hatte nicht im Sinn, um Alruna zu buhlen oder Gyrid zu verraten, doch keine der beiden dankte ihr das: Alrunas Blicke blieben hasserfüllt und die von Gyrid auch. Anders als Alruna hielt Letztere sich jedoch nicht von ihr fern. Sie kam eines Tages zu ihr, sah sich prüfend um, ob sie tatsächlich allein waren, und fuhr sie danach vorwurfsvoll an.
    »Wie konntest du unsere Sache verraten? Du bist doch eine Meisterin der Runen!«
    Gunnora hielt ihrem Blick ungerührt stand. »Die Runen zu beherrschen verlangt, weise zu sein. Doch weise ist es auch, nach vorn zu schauen, nicht zurück.«
    »Und den schwächlichen Christengott anzubeten?« Gyrid kreischte, doch als sie fortfuhr, senkte sie ihre Stimme. »Der Christengott ist nicht stark wie Thor mit seinem Hammer, nicht klug wie

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