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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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sich weder ihrem Mitleid für die Gräfin noch ihren Skrupeln hingeben.
    »Du darfst es nie jemandem sagen, hörst du!«, rief die Gräfin. Sie ließ sie wieder los, begann auf und ab zu gehen, schien sich mit jedem Schritt etwas zu beruhigen. »Und die Runen? Kann deine Mutter die Runen lesen? Hat sie dir beigebracht, wie man sie schreibt?«
    Während sie ihre Beherrschung wiederfand, wich Agnes’ Genugtuung, der Gräfin zuzusetzen, Beklommenheit. Sie wuchs, als die Gräfin zu ihrer Überraschung plötzlich eine Schriftrolle unter ihrem Umhang hervorzog und sie ihr vorhielt. Die Runen, die darauf gezeichnet waren, schienen auf dem Pergament zu tanzen.
    »Weißt du, wie die einzelnen Runen heißen? Und weißt du, welchen Zusammenhang diese ergeben?«
    Agnes lief rot an. »Das nicht«, gab sie zu, um hastig hinzuzusetzen, »aber von allem anderen weiß ich.«
    Die Gräfin umkrampfte die Schriftrolle. »Du wirst darüber schweigen! Du musst es tun! Und das hier … das hier werde ich ein für alle Mal vernichten.«
    Agnes biss sich auf die Lippen, ehe sie vorschnell einwilligte. Nein, sie würde nicht auf ihren größten Trumpf verzichten – dass die Gräfin nämlich nicht ahnte, wie wenig ihr die Mutter tatsächlich anvertraut hatte. Sie würde sich auch nicht von der Scham über ihre Lüge überwältigen lassen und sich folglich wie das Kind verhalten, das die Gräfin in ihr sah. Sie würde, ehe die Gräfin die Runenschrift endgültig zerstörte, die letzte Gelegenheit nutzen, ihre Geheimnisse ans Licht zu zerren.
    »Es fiele mir leichter zu schweigen, wenn ich Eure Version der Geschichte kennen würde«, murmelte sie.
    Sie zitterte innerlich. Aber als sie in der Miene der Gräfin Angst witterte, war sie sicher, dass sie endlich die Wahrheit erfahren würde. Oder zumindest einen Teil davon.

XII.
966
    Alruna hatte niemals so sehr gefroren wie in der Nacht, als sie auf Arfast wartete. Sie wusste zwar, dass noch zwei weitere Nächte Zeit blieben, um Gunnora zu Agnarr zu bringen, war sich hingegen gewiss, eine weitere allein im Wald nicht zu überstehen. Wie war Gunnora das nur all die Jahre gelungen?
    Sie musste zäher sein, lebenstauglicher, das zeigte sich auch jetzt, als sie in den frühen Morgenstunden an Arfasts Seite angeritten kam, müde, besorgt, aber nicht geschwächt. Sie sprang vom Pferd und stürzte auf Alruna zu.
    »Sag mir alles!«
    Alruna blickte sich um, doch außer Gunnora und Arfast war niemand zu sehen. »Richard …«, setzte sie zögernd an.
    »Er weiß nicht, dass ich hier bin«, erklärte Gunnora rasch. »Ich habe ihm lediglich eine Botschaft hinterlassen, dass ich Arfast gefolgt bin. Die meisten schliefen noch und haben nicht auf mich geachtet.«
    Arfast war ihr zügig, wenngleich etwas steifer gefolgt. »Ich verstehe immer noch nicht, warum ich sie allein hierher bringen sollte«, mischte er sich ein.
    Alruna atmete tief durch. »Wenn Agnarr bewaffnete Männer sieht, tötet er Seinfreda sofort.«
    In Arfasts Gesicht machte sich Unverständnis breit, Gunnora jedoch begriff sofort. »Agnarr hat Seinfreda in seiner Gewalt?«, schrie sie entsetzt.
    Alruna, die Arfast dieses Detail verschwiegen hatte, nickte nun. »Ich habe ihm versprochen, dich zu ihm zu bringen, und im Gegenzug wird er Seinfreda freigeben. Gottlob hat er mir geglaubt, dass ich auf seiner Seite stehe, weil er meinen Hass auf dich gewittert hat.«
    Gunnora musterte sie lange. »Dieser Hass ist nicht geheuchelt. Dennoch sagst du mir die Wahrheit und warnst mich. Warum hilfst du mir?«
    »Ich helfe nicht dir … sondern mir selbst.« Alruna zögerte kurz, denn es war nicht leicht, vor Arfast zuzugeben, wie berechnend sie ans Werk gegangen war. »Wenn alles vorbei ist, will ich, dass Richard darum weiß. Dass ich nämlich die Möglichkeit gehabt hätte, dich sterben zu sehen, ich diese aber nicht genutzt habe. Dies sollte ausreichen, mir erneut zu vertrauen und mir die Rückkehr an den Hof zu gestatten.«
    Zu ihrer Erleichterung schien Arfast sie nicht zu verurteilen, und auch Gunnora nickte. »Deine Ehrlichkeit ehrt dich.«
    Sie wandte sich ab und ging zurück zu ihrem Pferd.
    Arfast stürzte ihr nach. »Was hast du jetzt vor? Du kannst dich doch unmöglich diesem Mann ausliefern!«
    »Ich würde alles tun, um meine Schwester zu retten, nur darum habe ich Richard verheimlicht, dass ich dir folgen wollte. Gewiss, er würde vieles tun, um Seinfreda zu retten, aber ihr Leben ist ihm nicht so wichtig und kostbar wie meines.«
    »Du

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