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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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kannst nicht ernsthaft …«
    »Keine Angst, ich habe nicht vor, mich von Agnarr töten zu lassen. Doch es ist meine Aufgabe, nur meine, mit ihm fertig zu werden … und mich zu rächen.«
    »Du bist eine Frau!«
    »Wenn Seinfreda in Sicherheit ist, kannst du einschreiten, aber keinen Augenblick zuvor. Versprich mir das!«
    Gunnora maß Arfast streng, und obwohl er nur widerstrebend nachgab, nickte er schließlich doch.
    Gunnora warf Alruna einen Blick zu. Es bedurfte keiner Worte. Die Frauen verfolgten ihre Ziele – und auch wenn es nicht die gleichen waren, machte sie das zu Verbündeten.
    Als sie nach der durchwachten Nacht losritten, war der Boden noch weiß vom Morgenfrost, und der Mond wurde zunehmend bleich. Noch zeigte sich die Sonne zu träge, ihn zu vertreiben; erst als sie bei der Hütte ankamen, sprenkelte ihr Licht den Boden. Den Raureif konnten die zaghaften Strahlen vertreiben, die Kälte in Gunnoras Gliedern nicht.
    Der süßliche Geruch des Todes hing in der Luft, denn Agnarr hatte Hildes Leichnam nach draußen geworfen und ihn dort liegen lassen. Das Blut war schwarz und klebrig wie Pech, die Tote hatte bereits die Tiere des Waldes angelockt.
    Gunnora sah, wie Alrunas Lippen zitterten, und selbst Arfast zuckte angeekelt zusammen, doch sie selbst nahm den schauerlichen Anblick kaum wahr. Nichts nahm sie wahr, alle Sinne waren darauf ausgerichtet, ein Lebenszeichen von Seinfreda zu erhalten.
    Hoffentlich geht es ihr gut, hoffentlich hat er ihr keine Schmerzen zugefügt, hoffentlich lebt sie noch …
    Bereits ein ordentliches Stück vor der Hütte waren sie vom Pferd gestiegen und zu Fuß weitergegangen, um Agnarr nicht vorzeitig zu verraten, dass sie tatsächlich gekommen war, und nun, da sie in Blickweite war, hob Gunnora die Hand.
    »Keinen Schritt weiter!«, raunte sie Arfast zu. »Du wartest hier!« Sie sah immer noch Zweifel in seinem Blick, aber er gehorchte, und sie deutete auf das Messer an seinem Gürtel. »Das brauche ich …«
    Alruna, die den Ritt über geschwiegen hatte, sah sie halb ehrfurchtsvoll, halb bestürzt an. »Damit willst du ihn töten?«, fragte sie.
    »Ich bin nicht stark und im Kampf erprobt wie er, doch wenn ich ihn glauben machen kann, ich wäre schutzlos und ihm ausgeliefert, gelingt es mir vielleicht, ihn zu überlisten. Denk nicht, mir fehlen der Mut und die Entschlossenheit dazu.«
    Alruna sah nicht aus, als würde sie daran zweifeln, aber Gunnora fühlte tief in sich ein Beben – ein Beweis, dass sie besagter Entschlossenheit allein nicht traute. Sie umklammerte das Messer, kniete sich nieder und nahm ein Stück Holz. Seit vielen Monaten schnitzte sie zum ersten Mal wieder eine Rune.
    »Was tust du denn da?«, fragte Alruna verwirrt.
    Gunnora arbeitete unbeirrt weiter. »Das ist die Rune Hagalaz. Sie steht für das Gleichgewicht der Kräfte, für Fruchtbarkeit und Gedeihen, doch wenn man sie verkehrt herum malt, wirkt sie zerstörerisch: Anstatt zu heilen, macht sie krank, anstatt für gute Ernte zu sorgen, bewirkt sie Hagel, anstatt Fruchtbarkeit und neues Leben zu bringen, sorgt sie für Schwäche und Chaos.« Sie blickte hoch. »Du hältst mich für eine Heidin und ja: In meinem Herzen werde ich immer eine sein. Ich traue dem Christengott nicht, zumindest nicht genug, um nur mit seinem Schutz in diesen Kampf zu gehen.«
    Falls Alruna befremdet war, zeigte sie es nicht. Arfast bekundete jedoch ein letztes Mal seine Vorbehalte.
    »Ich kann dich doch unmöglich allein dorthin gehen lassen …«, sorgte er sich.
    »In Dänemark ist es üblich, dass nicht der König die Untaten eines Mannes bestraft, sondern die Sippe sich dafür rächt. Sie würde vor Scham vergehen, wäre sie darauf angewiesen, seine Hilfe zu suchen. Richard würde niemals dulden, dass ich Rache übe, aber auch er kennt die Gesetze des Nordens und wird mich verstehen.«
    »Richard wird niemals gutheißen, dass du dich in Gefahr bringst und ich tatenlos zusehe!«
    »Nun, dann ist es umso besser, dass er nicht hier ist. Und du bleibst an dieser Stelle stehen und greifst erst ein, wenn ich dich rufe.«
    Die Rune war fertig. Sie machte das Stück Holz an ihrem Gürtel fest und steckte das Messer dazu. Als sie ihren Umhang darüberwarf, war beides verborgen, ihr verräterisches Beben hatte nachgelassen. Sie wurde blind für Arfast, blind für Alruna, doch als sie auf die Hütte zuschritt, kam Alruna ihr noch einmal nach.
    »Vielleicht sollte ich zuerst hineingehen«, murmelte sie, »um ihm zu sagen, dass

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