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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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geschenkt bekam, im Wald auslegte, um es mit ihnen zu teilen. Doch war es schon schwer genug, die Götter zufriedenzustellen, war den Elfen und Zwergen erst recht nicht zu trauen. Nicht nur launenhaft waren sie, sondern heimtückisch und schadenfroh. Aus purer Langeweile trieben sie Scherze mit den Menschen, indem sie sich gastfreundlich gaben und sie vergessen ließen, dass in ihrem Reich die Zeit viel schneller verging als in der Menschenwelt. Kam man dorthin zurück, war manch jugendlicher und vor Kraft strotzender Mann ein gebeugter Greis und starb noch beim ersten Atemzug.
    Als Kind hatte Gunnora die Vorstellung fasziniert, binnen einer Nacht erwachsen zu werden, jetzt dachte sie, dass sie sämtlicher Kräfte der Jugend bedurfte, um im Wald zu überleben. Im Zweifel würde sie allerdings lieber von Elfen umgeben sterben, als von den Klauen eines Bären zerfetzt oder den scharfen Zähnen eines Wolfs zerfleischt zu werden. Auch die trieben sich hier herum, und anders als die Zwerge und Elfen hatte sie die Tiere schon mehrmals in der Ferne gesehen. Bislang hatte sie sie immer mit Feuer vertreiben können, doch ausgerechnet an diesem Tag hatte sie ihren Feuerstein nicht mitgenommen.
    Gunnora fluchte und lehnte sich an einen der Bäume. Wenn sie über die Rinde fuhr, konnte sie oft Kraft schöpfen, doch als sie es nun tat, fühlte sie sich nicht erstarkt, sondern musste daran denken, dass die Bäume Yggdrasil glichen, dem Weltenbaum, an dessen Wurzeln der Drache Nihögg nagte und sich ekelhafte Schlangenbrut wand, und der, obwohl er von den Nornen begossen wurde, langsam, aber sicher faulte. In der Krone wiederum hockten Adler und Habicht und hielten Ausschau. Könnten die, gesetzt, sie würden auch diesen Wald belauern, in der Ferne ihre Hütte sehen? Und erblickten sie das Wesen, das da im Gebüsch raschelte?
    Gunnora atmete immer schwerer. Noch hatte dieses Wesen sie nicht entdeckt, aber als ihre Härchen sich sträubten, war sie sich sicher: Da war jemand … und es war kein Tier … bestenfalls ein Dämon in der Gestalt eines solchen …
    Sie löste sich widerwillig von dem Baum, versprach dessen Schatten ja doch zu wenig Schutz und Wärme, und ging so leise wie möglich weiter. Im Zwielicht gab es nichts, was nicht bedrohlich schien, doch die größte Gefahr verhieß weiterhin das Rascheln. Kaum konnte sie sich überwinden, Fuß vor Fuß zu setzen, solange sie nicht herausgefunden hatte, wer es verursachte, doch sie wusste, dass sie bei Nacht niemals heimfinden würde.
    Es ist gewiss kein Mensch, versuchte sie sich einzureden, und auch kein Dämon. Vielleicht war es ein Fylgjur, ein Schutzgeist, der die Familien von Helden durch Gefahren geleitete und ermutigte.
    Einige Schritte weiter kam zu dem Rascheln ein neues Geräusch, und jäh war sie sich sicher: Kein übersinnliches Wesen schlich durch den Wald. Was da schnaubte, war ein Pferd, und auf dem Pferd saß ein Reiter, und die Männer, die sich Pferde leisten konnten, besaßen für gewöhnlich Waffen.
    Gunnora begnügte sich nicht damit, sich im Schatten eines Baumes zu verstecken, sondern legte sich inmitten der Farne flach auf den Boden. Sie wagte kaum zu atmen, spürte, wie die Erde vibrierte, sah dann die Hufe, die sich in den Waldboden gruben. Sie blickte höher … und ihre schlimmsten Ängste wurden übertroffen.
    Bis zu dem Augenblick, da die schwarze Dänin ihm regelrecht vor die Füße stolperte, wähnte sich Agnarr von Pech verfolgt.
    Hatte er sich in den letzten Jahren stets im Kreis gedreht, anstatt voranzukommen, galt es kürzlich gar, einen Schritt zurückzumachen. Der Angriff der fränkischen Allianz hatte ihm keine andere Wahl gelassen, als sich widerwillig mit Richard zu verbünden, und mochte er unter dessen Anhängern auch verhasst sein wie kein zweiter: Wenn es galt, die Heimat zu beschützen, musste man den bittersten Sud schlucken.
    Obwohl er dem Vater den Kopf abgeschlagen hatte, wusste Agnarr dessen Ratschläge zu schätzen, und einer lautete, dass man gut daran tat, den einen Feind zu umarmen, wenn ein noch gefährlicherer drohte, und – wand man sich innerlich auch wie die Jungfrau unter dem Leib eines lüsternen Wüterichs – an der Umarmung festzuhalten, bis die Gefahr ausgestanden war.
    Ohne Zweifel, er wollte Richard aus dem Land verjagen, doch das erforderte, dass dieses Land ein freies war, nicht ein von fränkischen Nachbarn besetztes und wie ein Laib Brot in viele Teile zerrissenes gar, um das sich Bettler balgten. Ja,

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