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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Stein!«, schloss Duvelina.
    Gunnoras Kehle wurde eng. Thor war ein gewalttätiger, grausamer Gott, aber doch ein guter Vater. Auch ihr Vater hätte seine Töchter gewiss mit aller Macht beschützt; er hätte verhindert, dass Seinfreda Samo heiratete oder sie sich Richard hingeben musste. Aber der Vater war tot … von Christen abgeschlachtet wie Vieh … Christen, in deren Mitte sie lebte und die sie nicht hassen konnte, so freundlich, wie sie zu ihr waren.
    Sie wünschte sich beinahe, dieser Alruna wieder zu begegnen, an ihr Feindseligkeit zu wittern und sie ihr heimzuzahlen, doch nur deren Mutter war dann und wann da, und diese bewies von allen am meisten Herzenswärme und nicht geringen Menschenverstand. Offenbar hatte sie bemerkt, dass Wevia Schmuck liebte, denn eines Tages trat sie zu ihr und lud sie ein, mit ihr zu kommen.
    »Ich kann dir zeigen, wo dieser Schmuck in Rouen hergestellt wird.«
    Gunnora ging schnell dazwischen. »Sie bleibt an meiner Seite«, erklärte sie scharf.
    »Nun, dann komm doch auch du mit«, wandte sich Mathilda an sie. »Du hast gewiss Lust, das Haus einmal zu verlassen, du scheinst mir keine zu sein, die sich inmitten von vier Wänden wohlfühlt. Begleite mich bei meinen Erledigungen, ich glaube nicht, dass du es bereuen wirst.«
    Wie sollte sie ihren Bannkreis wahren, wenn es jemanden gab, der ihr die Sehnsucht nach den Wäldern ansah und ebenso, wie schwer sie Untätigkeit ertrug?
    Sie verachtete sich selbst, weil sie sich so leicht bestechen ließ, aber am Ende willigte sie ein.
    Gunnora hielt das Gesicht in die Sonne, deren Strahlen belebend und befreiend zugleich waren. Der Lärm im Hof setzte ihr weniger zu als am Tag ihrer Ankunft, und sie entschied, sich nicht von ihm in die Flucht schlagen zu lassen, sondern alles genau zu mustern, was ihr damals entgangen war. Sie wusste bereits, dass die Burg des Grafen aus vielen Gebäuden bestand, großen aus Stein wie dem Turm, dem Haupthaus mit dem Palas oder der Kapelle, aber es gab auch eingeschossige Fachwerkhäuser, aus hölzernen Balkenkonstruktionen errichtet, die mit Lehm gefüllt und mit Reisig, Stroh oder Schilf abgedichtet worden waren. Darin lebten die Krieger, die Dienerschaft und die Notare.
    »Nun komm!«
    Mathilda schritt auf das große Tor zu, und Gunnora folgte ihr, Wevia und Duvelina rechts und links an der Hand. Sie konnte sich kaum erinnern, wie sie es vor nunmehr zwei Wochen durchritten hatte. Damals wie heute beachteten sie die Wachtposten nicht. Duvelina und Wevia klammerten sich an sie, umso mehr, als sie die Straße erreichten und dort von Massen an Menschen mitgerissen wurden. Zuerst setzte es Stöße von allen Seiten, doch die meisten erkannten Mathilda und wichen ehrfürchtig zurück.
    Die Straße führte an der Burgmauer entlang, die aus Baumstämmen und Steinen errichtet war. Mathilda erklärte, dass sie noch aus Römerzeiten stammte. An den Mauern klebten wie Waben am Bienenstamm weitere Fachwerkhäuser, allesamt von Handwerkern bewohnt, die im hinteren Teil schliefen, im vorderen Teil eine Werkstatt hatten und durch ein Fenster ihre Waren anpriesen und verkauften. Grob- und Waffenschmiede waren darunter, Bronzegießer, Kammschnitzer und Bernsteinschleifer, Perlenmacher, Schuster und Töpfer, Schiffszimmerleute, Segelmacher und Spinner. Sie boten Wachs und Honig feil, Wein, Öl, Tuche und Pelze, Schmuck und Waffen, Wetzsteine und Segeltuch. Jene, die kein eigenes Haus besaßen, hatten kleine Stände auf dem Marktplatz vor der Kirche Notre-Dame aufgebaut, um dort ihre Waren zu verkaufen.
    »Rouen ist nicht nur die Hauptstadt, sondern ein wichtiger Handelsplatz«, erklärte Mathilda. »Nicht weit von hier ist der Hafen, wo jeden Tag Schiffe anlegen. Sie kommen von anderen normannischen Städten, aber auch vom Frankenreich, aus England oder Irland.«
    Gunnora lauschte aufmerksam, stellte aber keine Fragen. So dankbar sie war, dass Mathilda sie eingeladen hatte, mitzukommen, so groß war doch das Misstrauen darüber, dass sie ihr so freimütig ihre Welt erklärte. Als Alrunas Mutter merkte, dass sie Gunnora mit der Flut an Worten nicht gesprächiger stimmen konnte, wandte sie sich den Mädchen zu. Duvelina klammerte sich immer noch an ihre große Schwester, doch Wevia legte ihre Schüchternheit ab, als Mathilda sie zu sich winkte.
    »Siehst du, das wollte ich dir zeigen!«
    Mathilda ergriff Wevias Hand und führte sie unter ein Schindeldach. Heiße Luft schlug ihnen entgegen: Sie stammte von einem Feuer, vor

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