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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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gesprächiger, wenn sie über deren Bräuche und Sitten berichteten, so auch davon, dass sie ihre Schiffe aus dem Holz der Esche bauten und darum nicht nur Nordmänner und Wikinger, sondern Askomanen genannt wurden. Als Kind hatte Alruna fälschlicherweise geglaubt, dass sie nicht aus Fleisch und Blut waren, sondern aus Holz, und jetzt fragte sie sich unwillkürlich, ob nicht auch die schwarzhaarige Dänin in Wahrheit von einer harten Rinde, nicht von weicher Haut geschützt wurde. Zerkratzte sich Richard seine Hände, wenn er nach ihr griff? Übertönte ihre dunkle Stimme sein helles Lachen?
    Alruna ging nicht auf die Worte ihrer Mutter ein. »Von Heiden kommt nur Übles«, zischte sie. »Die Priester sagen, dass allein die Taufe ihr Wesen zum Guten zu wenden vermag. Ansonsten bleiben sie grausam und wild, voller Beutegier, Mordlust und Zerstörungswut. Und die Dänin ist doch nicht getauft, oder?«
    Mathilda zuckte die Schultern. »Das weiß ich nicht. In jedem Fall habe ich keine der Eigenschaften, die du nanntest, an Gunnora wahrgenommen.«
    Wie selbstverständlich ihre Mutter den Namen aussprach! Als würde er ihre Lippen, ihre Zunge, ihre Kehle nicht vergiften!
    Nun, sie selbst sprach ihn nicht aus und fühlte sich von dem Gift dennoch zerstört. Wie sehr sie sich wünschte, die Dänin würde verschwinden. Sollte Richard ihretwegen mit den anderen Frauen scherzen, unerträglich war es, ihn mit einer zusammen zu wissen, die er gewiss nicht zum Lachen bringen konnte!
    »Ich will, dass sie geht«, knurrte sie.
    »Ich fürchte, du bist nicht befugt, das zu entscheiden.«
    Alruna musste wieder an die Priester denken. Diese waren nicht nur so leichtgläubig, in der Taufe eine Neugeburt zu sehen, sondern im Gebet ein Mittel, die Nordmänner zu bezwingen. Ein Mönch hatte Alruna mit bebender Stimme einmal berichtet, dass Nordmänner in ein Gotteshaus eingedrungen waren, um die silberne Monstranz zu stehlen, der Priester jedoch das gewandelte Brot hochhielt und sie damit in die Flucht schlug. Sie hatte diese Geschichte damals nicht geglaubt und heute noch weniger. Sie selbst war schließlich getauft, und ihr Herz quoll trotzdem vor Hass und Zerstörungswut über. Heftig atmete sie ein.
    »Vater gefällt es nicht, dass Richard so viele Konkubinen hat«, murmelte sie trotzig.
    »Gewiss«, erwiderte Mathilda. »Aber dein Vater ist ein kluger Mann, der lieber eine Frau aus dem Wald an Richards Seite weiß als eine von hohem Geblüt, deren Vater und Brüder erzürnt sein könnten.«
    »Aber gerade weil man nichts von ihrer Herkunft weiß, könnte sie gefährlich sein.«
    »Ich für meinen Teil weiß genug. Sie und ihre Schwestern sind Waisen, die es sehr schwer gehabt haben … Gunnora braucht eine Aufgabe, und du im Übrigen auch. Wann hast du deinen letzten Wandteppich angefertigt?«
    Alruna wusste es nicht genau. In jedem Fall war es viel zu lange her, dass sie ihre Zeit sinnvoll genutzt hatte, anstatt Richard und Gunnora zu belauern. Zugeben konnte sie das allerdings nicht, sondern stellte genau die Frage, mit der die Mutter ihr schon vorhin zugesetzt hatte.
    »Was ficht es dich an?«
    Und ehe Mathilda noch etwas sagen konnte, floh Alruna vor der Mutter, die sie ja doch nicht verstand oder, was noch schlimmer war, die sie sehr gut verstand, aber ihre finsteren Gedanken nicht billigte.
    Als sie ihre Beherrschung wiedergefunden hatte, entschied Alruna, nicht mehr ganz so offen gegen Gunnora zu wettern und sie nicht mehr ganz so auffällig mit misstrauischen Blicken zu verfolgen. Aber das änderte nichts an der Gewissheit, dass sie gefährlich war, dass sie den Hof schnellstmöglich verlassen musste und dass das eines Tages auch die gutmütige Mutter erkennen musste.

    Gunnora lernte rasch. Erst begleitete sie Mathilda nur, wenn diese ihren Pflichten nachkam, später übernahm sie nach und nach eigene. Sie überwachte die Einkäufe, die Wäscherei, die Kerzenherstellung. Sie lernte die vielen Münzen zu unterscheiden, erfuhr, dass die kostbarsten vom Schmied aus Silber gemacht wurden, auf der Vorderseite den Grafen zeigten und auf der Rückseite ein Ungeheuer, jedoch auch, dass die Mehrheit der Menschen auf dem Markt nicht mit Münzen zahlte, sondern Waren tauschte: Walrosszähne gegen Stoffe, Waffen, Glas und Keramik gegen Wein, Leder und Elfenbein und Wachs gegen Honig. Sie selbst trug nun immer eine Klappwaage mit sich, bestehend aus einem faltbaren Balkenarm und zwei Waagschalen aus Bronze, die klein genug war, um sie

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