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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Gunnora zu ihnen eilen und sie trösten konnte, hatte sich eine der Frauen, Haunild mit Namen, ihrer angenommen. Sie nahm Duvelina auf den Schoß und steckte ihr einen Löffel Dinkelbrei, feiner als der übliche Haferbrei und überreich mit Honig gesüßt, in den Mund. Ob der seltenen Gaumenfreude hörte Duvelina gleich zu weinen auf. Wevia indes sah nicht mehr erschrocken drein, sondern starrte gebannt auf die Kleidung der Frau. Die folgte ihrem Blick und lachte stolz.
    »Die Seide stammt aus einem Land ganz weit im Osten und der Pelz von einem schwer zu jagenden Bären im Norden.«
    »Darf ich ihn anfühlen?«
    Wevia hob die Hand, als die Frau nickte, doch ehe sie den Pelz berührte, war Gunnora zur Stelle und riss sie zurück.
    »Es tut mir leid«, sagte sie schnell.
    Ihre Stimme klang zu scharf und feindselig für eine Entschuldigung, doch Haunild schien sich nicht daran zu stören.
    »Ach, lass sie doch!«, rief Haunild. »Wir leben hier alle einträchtig zusammen, und deine Schwestern sind uns ebenso willkommen wie du. Da willst du doch gewiss keinen Unfrieden stiften.«
    Gunnora schüttelte schnell den Kopf, zog die beiden Mädchen aber rasch mit sich in eine Ecke.
    »Warum sind wir hier?«, fragte Wevia.
    »Der Mann im Wald, der wissen wollte, wo ich lebe – ist er noch einmal gekommen?«, fragte Gunnora zurück.
    Wevia nickte. »Er hat mit Seinfreda gesprochen und auch mit Samo, aber niemand hat ihm verraten, wer du bist. Er ist sehr wütend geworden, aber dann sind die Krieger gekommen, und er ist fortgeritten.«
    Gunnora unterdrückte ein Seufzen. Hoffentlich lässt es der Christ dabei bewenden, hoffentlich ist Seinfreda in Sicherheit, dachte sie.
    Am liebsten hätte sie Richard angefleht, erneut Krieger zu schicken, um sie zu bewachen, aber sie wollte seine Gunst nicht überstrapazieren und entschied, sich damit zu begnügen, die beiden Jüngsten an ihrer Seite und somit in Sicherheit zu wissen.
    Die ersten Tage in Rouen brachte sie wie im Traum hinter sich. Richard rief sie nicht noch einmal zu sich – er war, wie sie später erfuhr, in eine der Provinzen aufgebrochen, um einen Streit zwischen Edelleuten zu schlichten –, und so blieb ihr nichts anderes übrig, als ihre Zeit mit all den Frauen zu verbringen, nicht nur den Konkubinen des Grafen, sondern den vielen Dienstmädchen und den Töchtern hoher Beamter und Krieger, die hier in der normannischen Hauptstadt lebten und erzogen wurden. Es war eine laute Welt, in der es ständig summte und surrte wie in einem Bienenstock, und obwohl Gunnora die Sprache gut verstand, begriff sie nicht, warum man so ausdauernd über nichtige Dinge sprechen konnte, über Stoffe und Schmuck, über Kleider und Pferde, über Männer und Priester, und vor allem über Richard.
    Im Wald hatten wenige Worte genügt, im Grunde hatte es nicht einmal dieser bedurft, sondern nur der Runen. Hier jedoch war Sprache kein kostbares Gut, sondern wurde verschwendet, ja, weit unter Wert verschleudert.
    Gunnora presste meist die Lippen zusammen. Sie wollte dieser nutzlosen Fülle an Worten nicht weitere hinzufügen und schwieg verstockt, wenn man sie fragte, wer sie war und wo sie Richard getroffen hatte. Erst mit der Zeit ließ sie sich etwas gnädiger stimmen, und sie erkannte, dass die Frauen nicht zuletzt deshalb so viel sprachen, weil sie sonst nichts zu tun hatten. Die Mägde und Sklavinnen kochten und hielten die Räume sauber – die anderen Frauen fanden nur beim Handarbeiten Zerstreuung, beim Klatsch und indem sie ihre Schönheit pflegten.
    Letzteres wiederum taten sie mit Wonne. Fast jeden Tag reinigten sie sich in der Therme. Sie schwitzten dort ähnlich stark wie in der Sauna, die Gunnora von Dänemark kannte. In kleinen, mit Steinplatten ausgelegten Hütten zündete man Torffeuer an und begoss es mit Wasser. Die Therme war natürlich viel größer, doch der Wasserdampf stand genauso dick. Gunnora fand es heimelig, im trüben Licht darin zu sitzen und die Wärme zu genießen. Ihre Muskeln entkrampften sich und erstmals auch ihre Zunge.
    »Und man badet hier jeden Tag?«, fragte sie verblüfft.
    Eine der Frauen lachte. »Aber ja doch. Den Nordmännern wird nachgesagt, sie seien rohe, sittenlose Kerle, aber selbst die Fränkinnen müssen eingestehen, dass sie sauberer sind als ihresgleichen.«
    »Die Wikinger, die sich in England niedergelassen haben«, pflichtete eine andere bei, »sind noch reinlicher als unsere Männer. Man sagt ihnen nach, dass sie sich täglich nicht nur

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