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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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dem Stuhl. »Ich halte meine Versprechen. Du auch?«
    »Was soll ich denn versprochen haben?«
    Er trat zu ihr, hob seine Hand und strich ihr über den Zopf. Vorsichtig löste er das Band, und schon lösten sich einzelne Strähnen.
    Gunnora atmete schwer. Sie wollte nicht von ihm berührt werden. Sie wollte aber auch nicht unter vielen Menschen sein. Sich mit ihm allein in einem Raum aufzuhalten war eine Prüfung, aber zumindest fühlte sie sich nicht länger benommen, sondern hellwach. Das Blut raste heiß durch ihre Adern, der Widerstreit zwischen Ekel und Sehnsucht beherrschte jedes ihrer Glieder.
    »Genau genommen hast du mir nichts versprochen, du hast jedoch darum gebettelt, mit mir zu kommen«, sagte er leise. »Und dafür bekomme ich nun nicht einmal ein Lächeln?«
    Gunnora versteifte sich, als sie daran dachte, wie sehr sie sich vor ihm gedemütigt hatte. Auch wenn sie ahnte, dass es klüger wäre, ihm weiterhin Willfährigkeit vorzuspielen, wusste sie plötzlich, dass sie sich nicht noch einmal so klein machen konnte. Würde sie sich erneut vor ihm beugen, würde sie brechen.
    »Verdien es dir!« Ein leises Zischen begleitete ihre Worte.
    »Du trägst dank mir ein schönes Kleid. Ist dieses Geschenk nicht großzügig genug?«
    Sie würde dieses Kleid wohl nicht mehr lange tragen. Eben öffnete er die Fibel, zog ihr die Palla von der Schulter, nestelte an dem Gürtel und berührte die nackte Haut ihres Halses.
    Heftig atmend schloss sie die Augen, versuchte seine Berührungen nicht wahrzunehmen, sondern dachte mit aller Kraft an die Rune Isa. Doch nicht die erschien vor ihrem inneren Auge, sondern eine andere. Eine Geheimrune, die man Wolfsangel nannte, die ähnlich aussah wie Eihwaz und gleiche Wirkung hatte. Eihwaz nahm den verfluchten dreizehnten Platz in der Reihenfolge der Runen ein und bedeutete Eibe. Diese war ein giftiger Baum, was wiederum bedeutete, dass Eihwaz und noch mehr ihre dunkle Schwester, die Wolfsangel, Todesrunen waren, setzte man denn auf ihre zerstörerische Kraft.
    Gunnora öffnete die Augen wieder. Weißt du nicht, dass ich dich töten könnte?, fragte ihr Blick.
    Doch Richard las nicht darin, sondern starrte nur auf die pochende Ader in ihrer Halsbeuge, auf ihre weiße Haut, auf ihre bebenden Brüste. Ungeduldig zerrte er an den Unterkleidern.
    »Komm!«, murmelte er heiser und führte sie zur Bettstatt im hinteren Teil des Raumes.
    Die Runen verloren an Macht. Sie konnte ihn nicht töten. Und sie konnte nicht so tun, als fühlte sie nichts. Sie fühlte so viel. Hass, weil er ein Christ war wie der Mörder ihrer Eltern, Widerwille, weil sie sich ihm wie eine Hure darbot, Lust, weil er es vermochte, ihren Körper zum Klingen zu bringen wie die Saiten einer Harfe, Begierde, weil es so verführerisch war, in seinen Armen zu vergessen, wer sie war und woher sie kam. Es war schmerzhaft und erlösend zugleich, erneut bei ihm zu liegen, beängstigend und erfüllend, es raubte ihr die Kräfte und gab ihr neue, und als es vorüber war, war sie sich kurz nicht sicher, ob sie alles nur geträumt hatte.
    Sie war immer noch hellwach, er jedoch müde. Er legte seinen Arm um sie und wollte mit ihr einschlafen wie im Wald. Unwirsch schüttelte sie ihn ab und erhob sich.
    »Bleib doch noch!«
    »Es leben so viele Frauen hier am Hof«, erwiderte sie schroff. »Ruf doch eine von ihnen, wenn du weich liegen willst.«
    »Du bist störrischer als jeder Maulesel.«
    Sie lächelte kalt. »Das gefällt dir doch. In deinem Stall stehen genügend prächtige Pferde – der einzige Esel, so scheint’s, bin ich.«
    Sie war nicht sicher, ob sie nicht zu weit gegangen war, aber sie wusste, sie konnte nur ertragen, hier zu leben, wenn sie sich nicht ganz verleugnen musste.
    Zu ihrer Erleichterung lachte er. »Ich glaube, ich mag es, mit dir zu streiten.«
    Es gab keinen Neid unter den Konkubinen des Grafen, ob zwischen denen, die noch das Bett mit ihm teilten, oder den vielen, die es längst wieder verlassen hatten, aber hinterher keinen der vielen Edelmänner am Hof für sich gewinnen konnten und nicht wussten, wohin. Sie alle teilten ein großes Haus der gräflichen Burg mit den noch kleinen Bastarden, waren höflich zueinander und manchmal sogar freundlich.
    Den Beweis dafür fand Gunnora schon am nächsten Tag. Krieger des Grafen hatten die kleinen Schwestern gebracht, ihnen jedoch offenbar nicht erklärt, wohin die Reise ging. Wevia war noch starr vor Schreck, Duvelina weinte herzzerreißend, doch ehe

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