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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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waschen, sondern obendrein die Unterwäsche wechseln, um den Engländerinnen zu gefallen.«
    Gunnora nahm sich vor, bei Gelegenheit zu fragen, wo sich dieses England befand. Jetzt deuchte sie anderes wichtiger, nämlich mehr über den Grafen herauszufinden und über die Menschen, die ihm nahestanden. Sie begann, immer gezieltere Fragen zu stellen, und das stete Tuscheln war nicht länger eine Qual, sondern hilfreich, um Antworten zu finden.
    Arvid hieß also der Berater, den sie beim Grafen gesehen hatte, und Mathilda, die für den Mansionarius arbeitete, war dessen Frau. Beide dienten Richard seit Ewigkeiten, und ihre Tochter Alruna war die Frau, die Gunnora bei ihrer Ankunft so feindselig gemustert hatte. Sie war keine Konkubine, sondern wurde von Richard wie eine Verwandte behandelt, und man erwartete, dass sie bald einen seiner engsten Krieger heiraten würde, vielleicht Arfast. Allerdings hatte man sie seit Längerem nicht mehr gemeinsam gesehen. Genau genommen ließ sich Alruna kaum mehr blicken.
    »Alruna ist eine merkwürdige Frau«, erklärte Haunild eines Tages.
    »Warum?«, fragte Gunnora.
    »Man sieht sie nie auf dem Markt. Der Markt in Rouen ist sehr groß, musst du wissen. Waren aus aller Welt werden feilgeboten – feine Wollstoffe aus Friesland, Weißwein aus dem Rheingebiet, fränkisches Glas, Brokate aus Byzanz. Aber für all das interessiert sich Alruna nicht.«
    Gunnora tat das auch nicht, aber sie nickte bekräftigend. So schwärmerisch wie Haunild sprach, war dieser Markt wohl der schönste Platz auf Erden.
    »Und Graf Richard?«, fragte sie.
    »Was meinst du?«
    »Wofür interessiert er sich?«
    »Er ist der Graf, er regiert das Land und hat damit genug zu tun. Er muss Wälder und Forste sichern und dafür sorgen, dass die Steuern bezahlt werden. Er lässt Münzen prägen, sieht zu, dass die Gesetze eingehalten werden und schützt die Grenzen gegen Feinde.«
    »Aber was liegt ihm besonders am Herzen? Was macht er gern?«
    »Er reitet und jagt sehr viel – und er liebt es, in den Wäldern zu sein. Aber davon weißt du mehr als wir.«
    Vielsagend zwinkerte sie ihr zu, Gunnora ließ sich jedoch nicht dazu herab, mehr über sich zu verraten. Sie wusste: Längst waren Gerüchte über sie im Umlauf, wonach sie nicht Försterin oder Bäuerin war, sondern eine verwunschene Prinzessin, die in den Wald verbannt worden war. Sie bestätigte sie zwar nicht, widersprach ihnen aber genauso wenig. Auch wenn sie endlich bereit war zu reden, suchte sie zwischen sich und den anderen Frauen doch einen Bannkreis zu ziehen, und der tat seine Wirkung. Man sprach, aber lachte nicht mit ihr, man teilte das Essen, aber beim Schlafen rückte man von ihr ab. Nur Duvelina und Wevia, zutiefst verwirrt von ihrem neuen Leben, suchten ihre Nähe.
    Wenn es dunkel war, schreckte Duvelina oft schreiend aus dem Schlaf hoch, und um sie zu beruhigen, musste Gunnora ihr wie früher Geschichten erzählen. Sie tat es gern, waren sie doch nicht zuletzt ein Beweis, dass sie noch die Alte war – durch und durch eine Tochter des Nordens nämlich.
    Sie erzählte von den Zwergen, die dafür verantwortlich waren, die Waffen der Götter herzustellen und die Kette von Fenrir, dem bösen Wolf, der die Götter zu verschlingen drohte. Genau genommen war es keine Kette, sondern ein Zauberband, nicht aus Eisen gehauen, sondern gewebt, und zwar aus dem Miauen einer Katze, dem Haar einer Frau, den Wurzeln eines Berges, den Muskeln eines Bären, dem Atem eines Fisches, dem Speichel eines Vogels.
    »Aus Dank dafür, dass ihr Band Fenrir gefesselt hält, will Odin dem Zwerg Alvis eine Göttin zur Frau geben, und seine Wahl fällt auf Thurid, die Tochter von Thor«, rief Duvelina aufgeregt.
    Gunnora genoss die Berührung von Duvelinas warmen Händen in ihrer Halsbeuge. Ganz fest hielt sie sie umklammert, während die Kleine lauschte.
    »Ja«, murmelte sie in die Dunkelheit. »Doch die Zwerge dürfen das Untere der Erde nicht verlassen, zumindest nicht bei Tag, denn wenn nur ein Sonnenstrahl auf sie fällt, erstarren sie zu Stein. Das wusste Thor, und da er nicht wollte, dass seine Tochter einen Zwerg heiratet, machte er sich das zunutze. Er ging zu Alvis, ließ sich von diesem zeigen, was er alles kann – nicht nur Waffen herstellen nämlich, sondern auch Verse reimen –, und schindete immer mehr Zeit. Alvis bemerkte darüber nicht, wie schnell die Zeit verrann, und als er schließlich nach draußen trat, fiel die Sonne auf ihn.«
    »Und er wurde zu

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