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Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Titel: Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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hieß die Vorlesung, und einen halben der zwölf Termine würde er den Möglichkeiten des elektronischen Buches widmen und dabei – mehr in Ermangelung anderen Anschauungsmaterials – kurz die Serie „Falkengrund“ erwähnen. Er würde die Traditionen skizzieren, denen ein solches Werk verhaftet war, Vergleiche zu anderen Formen trivialer Phantastik ziehen und einen Bogen zeichnen von den Kolportageromanen über die Leihbücher und Romanhefte bis hin zu diesen neumodischen eBooks. Mit einem Augenzwinkern würde er seinen Literaturstudenten beweisen, dass er ihnen einen kleinen Schritt voraus war. Das würde der Clou werden, die harmlose Abschlusspointe seines trockenen Berufslebens.
    Beim Lesen der Kurzromane hatte er vor allem auf eines immer wieder Lust bekommen: den Ort, an dem der Autor seine fiktive, im Übrigen recht unrealistisch dargestellte Schule des Okkulten platziert hatte, einmal selbst zu besuchen. Von seinem Wohn- und Arbeitsort Heidelberg war Wolfach wenig mehr als zwei Stunden Bahnfahrt entfernt, perfekt für einen sonnigen, lustlosen Tag in der vorlesungsfreien Zeit. Um eine Ausrede für die Reise zu haben, nahm er sich vor, ein paar Aufnahmen von der Wiese zu machen, auf der das pathetische Schloss Falkengrund mit seinem ach-so-bösen Schlossgeist … eben nicht stand. Falls er den exakten Ort nicht fand, wovon er ausging, würde er einfach improvisieren. Irgendein Stück Land würde sich ja wohl auftun lassen.
    „Da vorne links hoch?“, erkundigte sich der Taxifahrer. Das Namensschild, das lässig vom Spiegel herabbaumelte, lautete auf Hasan Baris.
    Der Professor hatte so etwas wie eine halbe Erinnerung , den Namen schon einmal irgendwo gelesen zu haben. Wahrscheinlich war das so eine Art türkisches Peter Müller . Schlier entfaltete einen Zettel, auf den er eine grobe Landkarte gekritzelt hatte, mit vielen Fragezeichen. „Ich glaube, ja. Oder … Augenblick …“
    Hasan Baris griff ansatzlos nach dem Blatt, und ehe der Professor es verhindern konnte, hielt der Fahrer es schon in der Hand und breitete es auf dem Lenkrad aus.
    „Nein!“, stieß der Akademiker hervor. „Das ist nur eine … aus einer … eine Art …“
    „Falkengrund?“, las Baris die zittrigen Buchstaben. „Nach Falkengrund, ja?“
    Schlier schnappte nach Luft. „Schon, aber ich … ich …“
    „Lehnen Sie sich zurück“, sagte der Fahrer. „In fünf Minuten sind wir am Schloss.“

2
    Als Dr. Gebhard Schlier aus dem Taxi stieg, fühlte er etwas, was er schon lange, lange Zeit nicht mehr verspürt hatte: pures, unverfälschtes Erstaunen. Er drehte sich im Kreis, sah die Mauer, den Vorplatz mit den geparkten Fahrzeugen, die Fassade, die selbst an diesem sonnigen Tag öde und grau wirkte. Und jeder einzelne Mauerstein verblüffte ihn.
    Es war, als betrete man einen Roman.
    „Clauß war hier“, flüsterte er. „Er hat hier recherchiert.“ Aber wenn dem so war, warum fand man Schloss Falkengrund dann auf keiner Landkarte? Er musste lachen, wandte sich an den Taxifahrer, der mit ihm ausgestiegen war. Dieser schien es nicht eilig zu haben, den Fahrpreis einzufordern, sondern sah sich genüsslich um wie ein Urlauber am Reiseziel. „ Das ist Schloss Falkengrund“, rief Schlier. „Begreifen Sie? Das ist Schloss Falkengrund.“ Er schüttelte den Kopf. Dann erstarrte er. „Augenblick! Baris. Ja, Hasan Baris. Jetzt weiß ich, warum mir der Name so bekannt vorkam! Sie spielen in der zweiten Episode mit. Der Begleiter. Er hat Sie diesen … diesen Artur Leik hier hochfahren lassen. Das ist ja …“
    Der Taxifahrer ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ich fahre öfters Studenten“, meinte er. „Oder Dozenten. Frau Maus zum Beispiel ...“
    Schlier hörte ihm nicht zu. Er stolperte auf das Gebäude zu wie ein Verdurstender zur Oase. Das Portal war geöffnet. Eben kam eine Frau heraus, groß und grobknochig, mit ernsten, ausdrucksvollen Zügen. Sie trug eine Kiste mit Abfall und peilte den Müllcontainer an, der an der Seite des Hauses stand.
    „Ekaterini!“, schrie der Professor und begann zu rennen.
    Die Frau blieb stehen, setzte den Müll ab. Als der Professor sie erreicht hatte und ihr die Hand entgegenstreckte, ließ sie ihren Arm unten. „Kennen wir uns?“, fragte sie, und in ihre Stirn wühlten sich tiefe Falten der Skepsis.
    Dr. Schlier stieg der Geruch der Küchenabfälle in die Nase, und er ließ betreten die Hand sinken. „Es tut mir leid. Mir ist Ihr Nachname entfallen, aber ich kenne Sie

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