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Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Titel: Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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dunkel. Weiß eigentlich außer uns schon jemand von unserem Malheur?“
    „Die Flugüberwachung muss längst mitbekommen haben, dass etwas nicht in Ordnung ist. Aber es kann eine Weile dauern, bis sie den genauen Absturzort ausfindig machen. Ein paar Anwohner haben sicher etwas gesehen und rufen gerade bei der Polizei an.“
    „Anwohner?“ Schlier schaute sich demonstrativ um.
    „Da drüben ist ein Hof.“ Lentje zeigte in die Ferne, doch so sehr der Professor die Augen zusammenkniff, er konnte nichts erkennen. Nach den Millionen von Buchseiten, die sie gelesen hatten, waren seine Linsen wohl etwas ausgeleiert.
    Ehe sie losgingen, warf er noch einen Blick zurück auf das Flugzeug. Sehr harmlos sah es aus, wie es da auf der Wiese lag, hinter sich eine erstaunlich schmale Schneise aus durchpflügter Erde. Die Schnauze ragte in den Himmel, als hätte es noch Ambitionen, wieder dorthin zurückzukehren. Auf einmal fiel Schlier etwas auf, was nicht in das Bild passte. Obwohl die Außenhülle der Maschine keine größeren Blessuren aufwies, beulte sich unter dem mittleren Rumpfstück etwas Metallisches aus – für ein zerquetschtes Fahrwerk erschien es ihm viel zu groß.
    „Lentje, was ist das? Da, unter dem Flugzeug!“
    Sie drehte sich zu ihm um. „Sieht aus wie ein … ich weiß nicht. Aus der Nähe hätten wir es besser erkennen können.“
    Sicher. Aber niemand würde ihn jetzt mehr dorthin bringen.
    „Ich glaube, es ist ein Auto“, wagte sie nach einer Weile auszusprechen, was er auch dachte. „Die Maschine ist auf ein Auto gestürzt.“ Sie sah ihn an. „Und da behaupten manche Leute, Fliegen sei sicherer als Autofahren.“
    Darüber hätte er unter bestimmten Umständen lachen können, aber nicht unter diesen. In seinem Kopf war nur Platz für einen Gedanken: Was für ein absurder Zufall! Da stürzen wir in der ländlichen Einöde Niedersachsens ab und zermalmen ausgerechnet ein Fahrzeug unter uns – vielleicht sogar das einzige im Umkreis von ein paar Kilometern.
    Das Auto war komplett zerstört, daran konnte selbst aus dieser Entfernung kein Zweifel bestehen, und falls Menschen darin gesessen hatten, konnten sie nicht überlebt haben. Das Fahrzeug war keinen Meter mehr hoch, die Räder abgebrochen, die Seiten der dunkelgrünen Karosserie nach außen gewölbt. Wenn man es so betrachtete, sah es beinahe aus wie ein Bundeswehrfahrzeug.
    „Terroristen werfen mit Flugzeugen nach militärischen Zielen.“ Lentjes Kommentare wurden mit jeder Minute abseitiger. Ihr Humor nahm Schmidt’sche Dimensionen an.
    „Gehen wir“, sagte er.
    Sie machten sich auf den Weg, zwei Überlebende einer unfassbaren, unmöglichen Katastrophe, die hier, auf der weiten Grasfläche, beinahe überschaubar wirkte. Bescheiden und unbedeutend. Das Flugzeug in ihrem Rücken, das immer kleiner und kleiner wurde, machte keine Anstalten zu explodieren, verhielt sich ruhig und kooperativ, ein vom Himmel gefallener Vogel, der stumm seinen Verletzungen erlag.
    Die Stille und Leere an diesem Ort waren ebenso unbeschreiblich wie unheimlich. Nichts, absolut nichts schien vorgefallen zu sein. Sie erlebten einen Tag wie jeden anderen, ein stimmungsvolles Gemälde, die Sonne rot und schön auf ihrem Pfad zum Horizont. In wenigen Minuten schon, mit den lärmenden Rettungswagen, konnte sich die Szenerie ändern. Hundertschaften würden über die Wiesen wimmeln, und sie – der Professor und die Stewardess – würde man vor die Kameras und Mikrofone der Presse zerren. Wahrscheinlich würde bald jeder ihre Namen kennen, und sie würden Stars werden. Stars im Schatten eines Flugzeugs X und eines Militärfahrzeugs Y. Stars im Schatten einiger Dutzend Leichen.
    „Die …“ – er wusste nicht, wie er es formulieren sollte – „… die Frau neben mir, sie hatte ein Handy in der Hand, und … sie sagte: ‚Ich kann mit meinem Handy die Landeklappen bewegen.‘ Das fällt mir erst jetzt wieder ein. Kann sie … könnte sie … ich meine, so etwas ist doch nicht möglich, oder?“
    „Das ist ein Blondinenwitz“, entgegnete Lentje ungerührt. „Ein ziemlich alter Hut. War sie blond?“
    Er rief sich ihr Bild vor das geistige Auge. „Ja, ich glaube schon.“
    „Na also.“
    Was bedeutete ‚Na also‘? Was wollte sie damit sagen?
    Während er schweigend neben ihr herging, in einem beinahe gemächlichen Trott, versuchte er der Geschichte, in die er hineingerutscht war, einen Sinn zu geben, ein Muster oder ein System darin zu erkennen. Er klopfte

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