Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Titel: Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
Vom Netzwerk:
begann sich gerade zu bewegen. Ihr Kopf mit der blutverschmierten Stirn fiel zur Seite, und sie verzog das Gesicht. Schlier warf einen Blick auf die ältere Flugbegleiterin im Sessel gegenüber. Sie hatte den Aufprall wohl nicht überlebt, denn bei ihr rann das Blut aus dem Mund, und ihre Augen starrten groß und neugierig an die Decke, ohne zu blinzeln …
    „Kommen Sie!“ Der Professor löste den Gurt der Überlebenden und stürzte ihren Kopf. Es dauerte eine halbe Minute, dann war sie zu sich gekommen. Ihre blauen Augen schielten, ehe sie sie unter Kontrolle bekam. Das Blut hatte ihre dünnen, flachsblonden Haare in einem hässlichen Fladen auf ihre Stirn gepappt.
    „Harte Landung“, wisperte sie, und Schlier fand diese Worte ein wenig taktlos, auch wenn es – was niemand leugnen würde! – tatsächlich eine harte Landung gewesen war. Eine hammerharte.
    „Helfen Sie mir, die Tür aufzubekommen?“, lenkte er das Gespräch in konstruktive Bahnen. Schwankend löste die Stewardess die Verriegelung. Als sie gemeinsam die Tür aufstießen, wurde die Notrutsche aktiviert und der graue Luftsack innerhalb weniger Sekunden aufgeblasen. Am Ende der Rutsche war eine Wiese. Mit einem Blick über den Absturzort (Gras, nichts als Gras) setzte Schlier einen Fuß auf die Rutsche. „Muss ich die Schuhe ausziehen?“
    Die Stewardess schüttelte den Kopf. „Nur, wenn Sie Stöckelschuhe tragen.“ Er griente sie an und rutschte. Es war ein schönes Gefühl, dem Flugzeug auf diese Weise zu entkommen. Erstaunlich sanft, wie auf Wolken gebettet, erreichte er den Boden. Die Frau folgte wenig später. Er half ihr auf und fühlte sich gut dabei. Alle Schmerzen außer denen in seinem Nacken waren auf ein mildes Maß abgeklungen. „Ich schlage vor, wir laufen zügig hundert Meter und rufen dann die Rettungskräfte. Haben Sie ein Handy bei sich?“
    Die Stewardess schenkte ihm ein zitterndes Lächeln. „In meinem Gepäckfach, ja, aber nicht in der Uniform.“
    Während sie sich im Laufschritt von der Maschine entfernten, fand Schlier sein Mobiltelefon in der Hosentasche. Er schaltete es ein, hatte ernsthafte Schwierigkeiten, sich an seine PIN-Nummer zu erinnern, fand sie schließlich in einer hinteren, gut gegen Erschütterungen gedämpften Ecke seines Gehirns, tippte die vier Ziffern ein und sah erst dann richtig auf das Display. Der Startbildschirm mit der Eingabemaske war überhaupt nicht erschienen! Er probierte weiter den Einschaltknopf, aber nichts rührte sich.
    „Das kann nicht wahr sein!“, polterte er. „Mein drei Monate altes Handy geht bei dem Absturz zu Bruch, und ich alter Knabe bleibe unbeschädigt!“
    „Seien Sie doch froh, dass es nicht umgekehrt ist“, tröstete die Stewardess. Sie blieb stehen und streckte ihm die Hand hin. „Ich heiße Lentje. Das ist mein … mein erster Absturz.“
    Schlier lachte. „Meiner auch. Äh … Gebhard, Gebhard Schlier. Eigentlich Professor und Doktor und weiß der Kuckuck, was alles. Aber die Titel hab ich auf dem Weg hier runter verloren.“ Ein bisschen kam er sich vor wie in einem Hollywoodfilm. Katastrophen zu überleben, machte sehr schnell ziemlich cool. Die lockeren Sprüche lagen … lockerer.
    „Ja, das verstehe ich. Sollen wir uns nicht setzen? Ich glaube, wir sind inzwischen weit genug weg.“
    „Setzen?“ Der Professor sah sich um. „Wohin?“
    „Ins Gras.“
    „Warum nicht?“, murmelte er und setzte sich tatsächlich. „Gestrandet im Nichts. Das hier kommt mir vor wie mitten im Nirgendwo.“
    „Noch besser“, grinste sie. Sie hatte sich nahe zu ihm gesetzt. „Westlich von Leer.“
    „Westlich von Leer? Das müssen Sie mir erklären.“
    „Na, Leer in Ostfriesland. Der Name ist Programm – hier gibt’s nicht viel zu sehen. Wir sind nicht weit von der niederländischen Grenze, würde ich sagen. Ich kenne mich ein bisschen aus – meine Eltern kommen aus der Gegend, wissen Sie?“
    „Lentje ist also ein friesischer Name?“
    „So friesisch wie das Watt.“
    Er räusperte sich. „Im Ernst jetzt: Wo kriegen wir hier Hilfe her? Wir brauchen Feuerwehr, Polizei, Notärzte. Von den Menschen im Flugzeug sind bestimmt noch einige am Leben, und wir können sie nicht sterben lassen.“
    „Wir müssen einen Hof suchen.“
    Das hätte ihm auch selbst einfallen können. Kaum hatte er sich ins friesische Gras gesetzt, erhob er sich schon wieder. So richtig bequem war es dort ohnehin nicht gewesen. „In welche Richtung gehen wir? Ich fürchte, es wird bald

Weitere Kostenlose Bücher