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Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia

Titel: Melanie - Inside Joke - Claußtrophobia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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entspannte sich jedoch sofort wieder. „Hier ist der Apparat. Hoffentlich tut das alte Ding noch. Wir haben es eine Weile nicht benutzt.“
    Der Fernsprecher stand auf einem Tischchen im Flur, wie man das früher oft gesehen hatte. Es war ein alter grauer Apparat mit Wählscheibe. Gebhard schwante Böses, und als er mit einem schüchternen Lächeln den Hörer abnahm, wurden seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Es gab kein Freizeichen, nichts. Auch als er die 110 wählte, blieb der Anschluss tot.
    „Wie lange haben Sie nicht mehr telefoniert?“, fragte Gebhard ungläubig.
    „Och, ein paar Jährchen wird es schon her sein“, erwiderte der Alte. Aus dem Hintergrund drang das Zwitschern von Vögeln. Irgendwie schmatzende Laute waren es. Wenn sich Gebhard nicht irrte, klang es nach Wellensittichen, mindestens zwei davon. Auch diese Tiere hatte er in seinem Leben schon gehalten. Während andere Leute eine Frau nach der anderen hatten, hatte er die meisten Haustiersorten durchprobiert.
    „Und ein Handy hast du nicht?“, erkundigte sich Lentje.
    „Nö, so was hab ich nicht.“
    Das Zwitschern wurde lauter. Als der Professor sich umsah, kamen die Vögel aus dem Nebenraum geflattert. Vier oder fünf Wellensittiche, soweit er zählen konnte, alle grün. Er duckte sich, und die Tiere flogen über ihn hinweg. Nur einer setzte sich kurz auf seinen Kopf und startete dann wieder, um den Anschluss an seinen Schwarm nicht zu verpassen. Naja, wenigstens waren diese Tiere eindeutig lebendig …
    Die Erleichterung währte nicht lange. „Die Haustür ist offen!“, fiel es Gebhard ein. „Die Vögel fliegen raus.“ Er lief los, warf etwas herunter, das auf einer Anrichte stand, sprintete zur Tür – nur um zusehen zu müssen, wie alle Wellensittiche wie an einer Schnur aufgereiht in die Freiheit flatterten. „Verflixt!“, knirschte er und klatschte sich mit der Hand auf den Schenkel, um den Frust zu entladen. Er war nur froh, dass ihn und Lentje keine direkte Schuld an dem Missgeschick traf. Als Letzter hatte der Hausherr selbst die Tür passiert.
    „Die werden schon wiederkommen“, kommentierte der alte Bauer mit stoischer Ruhe. „Antje! Wo bleibt der Tee?“
    Gebhard hatte so seine Zweifel, ob der fromme Wunsch des Mannes sich erfüllen würde. Nachdem die Wellensittiche einmal die Luft der Freiheit geschnuppert hatten, würden sie nicht mehr freiwillig in ihre Gefangenschaft zurückkehren. Dafür würden sie da draußen verhungern, erfrieren oder von Wildtieren getötet werden.
    Schon wieder tote Tiere.
    Gebhard empfand eine Art Ekel vor diesem Haus. Vielleicht waren es die Nachwirkungen des Flugzeugabsturzes, die seine Psyche aus dem Gleichgewicht brachten, aber die reglose, wie tot daliegende Katze, die todgeweihten Wellensittiche, das seit Jahren nicht mehr benutzte Telefon … Was er in den letzten zwei Minuten erlebt hatte, rundete die Weltuntergangsstimmung in seiner Seele ab.
    Er näherte sich Lentje und brachte seinen Mund nahe an ihr Ohr. Zuerst wich sie irritiert zurück, beim zweiten Versuch hielt sie still. „Wir suchen einen anderen Hof“, flüsterte Gebhard. „Offenbar weiß man weder bei der Flugsicherung noch bei der Polizei etwas von dem Absturz. Was aus den Überlebenden wird, hängt alleine an uns!“
    „Trinken wir erst einen Tee“, sagte Lentje in normaler Lautstärke. „Mit etwas Warmem im Magen sieht die Welt wieder anders aus. Wahrscheinlich gibt es gar keine Überlebenden außer uns.“
    Gebhard griff sich an die Stirn. „Ein Tee macht die Katastrophe auch nicht rückgängig!“, rief er. Dann fügte er leise hinzu: „Dieses Haus jagt mir Angst ein.“
    Nun lächelte sie. Ob spöttisch, ob mitleidig, ob tröstend, vermochte er nicht zu erkennen.
    „Ich meine es ernst!“, sagte er. „Wenn du nicht mitkommst, mache ich mich eben alleine auf die Suche nach einem funktionsfähigen Telefon. Ich gehe bis zur nächsten Landstraße und halte das erstbeste Auto an.“
    „Es wird schnell dunkel“, gab die Stewardess zu bedenken. „Du wirst dich verirren. Die Nacht wird frisch.“
    „Du sagst es!“, gab Gebhard erregt zurück. Er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. „Und draußen in dem Flugzeugwrack erfrieren die Schwerverletzten, während du hier in Ruhe deinen Tee trinkst. Ohne mich!“
    Sie blinzelte ihn mit unverhohlenem Spott an. „Du bist ja ein richtiger Held, Gebhard. Was bist du denn im richtigen Leben?“
    „Professor für Literaturwissenschaft.“
    „Dann

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