Melina und die vergessene Magie
Nebelwald das Leben gerettet. Wie willst du das nennen – wenn nicht Magie?«
Melina lächelte geschmeichelt. »Vielleicht habe ich ja endlich ein verstecktes Talent in mir entdeckt«, sagte sie scherzhaft.
Aber Erel nickte und meinte es offenbar ganz ernst.
»Probier es einfach! Ich erkläre dir, wie Magie hier funktioniert.«
Sie schüttelte peinlich berührt den Kopf.
»Komm!« Er sprang auf, legte ihr eine Magiekugel sanft in die abwehrend erhobene Hand und drückte ihre Finger zusammen, sodass sie sich um das kalte Eis legten. Seine Augen schienen dabei nur für sie zu leuchten, sodass ihr ganz warm ums Herz wurde. Noch nie hatte ein Junge sie so angesehen.
»Du könntest dir einen Schal zaubern, der würde dich in den kühlen Nächten wärmen«, sagte er sanft. »Umschließ die Kugel mit der Hand und denke ganz fest an einen Schal in den Farben, wie du sie dir wünschst. Wenn du ihn genau vor dir siehst, sagst du ›Gajá end’err‹ und stellst dir vor, wie die Kugel schmilzt und die Magie in deinen Schal fließt.«
Melina hätte gern gelacht und die Kugel zurückgegeben, aber die Erwartung in seinem Blick wollte sie nicht enttäuschen.
»Gajá end’err«, sagte sie langsam.
Die Kugel in ihrer Hand war geschmolzen – wie ein Stück Eis. Nicht wie ein Stück Magie. Und von einem Schal war keine Spur zu sehen. Sie lächelte entschuldigend, Erel wirkte jedoch keineswegs enttäuscht.
»Versuch es noch mal! Ein Zauberlehrling braucht viel Geduld – und den Glauben an sich selbst.«
Aber Melina wehrte ab und setzte sich wieder ans Feuer. Sie wollte ihm nicht vorgaukeln, sie wäre wirklich eine Magierin.
»Ich habe Hunger. Vielleicht ein anderes Mal.«
Erel musterte sie noch immer erwartungsvoll. Dann nahm er einen Stock aus dem Feuer und reichte ihn ihr lächelnd.
»Kein Wunder, von deiner
Koola
kannst du ja nicht satt geworden sein.«
»Danke!« Sie biss in den verführerisch duftenden Fisch, zuckte aber im gleichen Moment erschrocken zurück. Sie hatte sich die Lippen verbrannt.
»Ist das Essen in deiner Welt nicht heiß?«, fragte Erel neugierig. Es war ihr peinlich, und sie zupfte vorsichtig am Brot herum.
»Doch! Ich habe allerdings noch nie an einem Lagerfeuer gegessen.«
»Noch nie?«
Erel sah sie mit großen Augen an. »Wo esst ihr denn, wenn viele Gäste zusammenkommen?«
»In unseren Häusern. Am Esstisch«, erklärte Melina.
»Bei uns isst meistens das halbe Dorf zusammen und redet und erzählt«, erwiderte Erel, der ein Stück von seinem Fisch abgerissen hatte und es in der Hand hielt. Hatte er feuerfeste Finger?
Tann nickte kauend, während er seinen Fisch zerteilte. Das Brot hatte er schon aufgegessen. »Das Zusammensein am Lagerfeuer war für mich das Schönste, wenn wir in die Wälder zogen und Holz schlugen. Jeden Abend gab es Nebelgänse oder Höhlenlissen am Spieß, dazu ein Fass Nachtbier. Holzfällen macht Hunger.«
Erel lachte. »Das kann ich mir vorstellen. Aber wenn es dir Spaß gemacht hat, warum bist du dann Zauberlehrling geworden?«
Tann starrte eine Weile in die Flammen, wobei Schatten und Licht über sein Gesicht wanderten, als erzählten sie seine Geschichte.
»Die Gemeinschaft war toll. Das Holzfällen war öde. Ich merkte, dass ich andere Träume hatte als meine Freunde. Ich wollte eines Tages raus aus dem Dorf der Bogan, wollte etwas sehen von der Welt. Und die Regeln unseres Volkes sind sehr … eng.«
Erel betrachtete ihn eingehend.
»Wie hast du dann Kontakt zu Salius bekommen?«
Tann warf seinen Stock ins Feuer. »Ich habe mich immer freiwillig gemeldet, wenn es darum ging, das magische Holz auszuliefern. Salius war einer unserer Kunden. Eines Tages bat er mich herein in seine Wandelhütte und zeigte mir einen Prunk, den ich aus meinem Dorf nicht kannte. Ich war sehr beeindruckt. Und als er mich fragte, ob ich sein Lehrling werden wollte, habe ich sofort Ja gesagt. Das war meine Chance!«
Erel runzelte die Stirn. »Er hat dich einfach so hereingebeten? Nur weil du Holz angeliefert hast? Entschuldige, ich will dich nicht beleidigen, aber wenn ein Zauberer eine Wandelhütte hat, erzählt er das normalerweise nicht seinem Holzlieferanten.«
Tann schob die Unterlippe vor. »Wir haben uns gut unterhalten, er war sehr nett zu mir. Als er mich bat, meine Waffen am Eingang abzulegen, erklärte ich ihm, dass meine Windaxt keine Waffe sei und dass sie aus der Höhle des Windes stamme. Salius war sehr interessiert daran und auch an meinem Leben bei den
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