Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
waren, ihr gesagt sie soll das lassen. Und dann hat sie mich so von oben nach unten angeschaut und gesagt … gesagt …“ Schluchzend rang Miranda nach Luft.
„ Was, mein Kind?“ Roberts Stimme war beherrscht, aber gefährlich leise. In ihm brodelte es.
„ Sie hat mich Satanschlampe genannt“, flüsterte Miranda.
Roberts Gesicht wurde eine Nuance blasser. „Hast du dafür Zeugen?“
Miranda verneinte. Sie suchte in ihrer Hosentasche nach einem Taschentuch und förderte ein zerknülltes Ding zutage, das auch schon bessere Tage gesehen hatte. Angewidert steckte sie es zurück und wischte sich mit dem Ärmel den Rotz von der Nase.
Robert erhob sich und zog Miranda mit hoch.
„ Frau Hartmann, teilen Sie ihrem Lehrkörper mit, dass wir Frau Liebrecht mit einer Beleidigungsklage beehren werden, es sei denn, sie käme auf Miranda zu, um sich ihrerseits zu entschuldigen. Des Weiteren nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass ich von Ihren pädagogischen Fähigkeiten nichts halte. Und von Ihren Manieren ganz zu schweigen! Den Gothic-Style kann Miranda niemand verbieten. Meine Tochter nehme ich jetzt mit. Guten Tag.“
Ohne sich umzublicken verließen Vater und Tochter das Schulgebäude.
Wortlos legten sie einige Kilometer mit dem Firmenwagen zurück, ehe das Schweigen gebrochen wurde.
„ Ich muss erst mit dem Kunden sprechen, bin spät dran. Magst du so lang im Wagen bleiben? Mach dir das Radio an oder so. Okay, mein kleiner Rabe? Wir reden später.“
Miranda nickte. Sie wusste, immer wenn ihr Vater sie „Rabe“ nannte, war er auf ihrer Seite und alles würde gut. Sie hatte Kopfweh, fühlte sich elend. Im Radio spielten sie 60er Jahre Musik, die sie gerne hörte. Was sie aber tunlichst vor ihrer Freundin Beata verbarg. Eins war ja wohl klar, sie würde diese Schule nie mehr betreten. Komme was wolle.
Eine Weile später ging die Fahrt schon weiter, denn der Kunde war nicht mehr zuhause. Offenbar hatte es ihm doch zu lange gedauert. Hoffentlich springt er nicht ab, dachte Robert bei sich. Das konnte er sich wirklich nicht leisten, Kunden zu verlieren. Weder neue, noch alte.
„ Wie wäre es mit Kakao und Kuchen im Café Rosenbusch? Ich könnt´ jetzt was Süßes vertragen, du auch, Miri?“
Sie richtete sich im Sitz etwas auf und strahlte ihren Vater an. „Aber klar doch, immer!“ Robert lachte, sie war eben doch noch ein halbes Kind mit ihren sechzehn Jahren. Zu oft vergaß er, dass sie entwicklungsverzögert war. Er startete den Motor, setzte den Blinker und fuhr los.
Am nächsten Tag zur Mittagszeit, als ich grad von einem Krankenhausbesuch zurückgekommen war, staunte ich nicht schlecht, als plötzlich der Kies in der Einfahrt knirschte. So früh sollte Robert eigentlich nicht hier sein, was war mit dem Kundentermin? Hatte er ihn etwa vergessen? Ich drückte den Schalter der Kaffeemaschine und schaute aus dem Fenster. Als ich sah, dass Robert und Miranda aus dem Wagen stiegen, staunte ich noch mehr. Was war da los? Ich ging in die Diele, um ihnen die Tür zu öffnen. Oh, oh, rote Augen, Miranda hatte also geweint.
„ Hi, Süße. Was ist mit dir? Geht es dir nicht gut?“ Sie ließ es zu, dass ich ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn drücken konnte.
„ Doch, es geht mir gut, Mama. Wir waren im Café Rosenbusch.“
„ Während der Schulzeit? Was ist hier los?“
„ Kann Papa dir sagen“, rief sie und lief die Treppe hoch.
Robert hing den Wagenschlüssel ans Schlüsselbrett und seufzte tief. „Du wirst nicht glauben, was wieder passiert ist. Wo warst du eigentlich? Die Schule hatte dich zuerst angerufen, aber du seiest nicht erreichbar gewesen.“
„ Ich war im Krankenhaus, da habe ich mein Handy natürlich abgestellt.“
„ Ach, richtig, da wolltest du heute ja hin. Komm, lass uns in die Küche gehen, ich brauche noch einen Kaffee. Mit Verstärkung.“
Oha. Es war also ernst. „Mit Verstärkung“ bedeutete: Kaffee mit fünf Stück Zucker und einer Prise Zimt.
„ Ah, ich sehe, die Maschine ist schon an, gut. Haben wir noch Kekse da?“
„ Immer doch, ich habe die Dose erst vor zwei Tagen aufgefüllt. Nun sag doch endlich, was passiert ist, wieso taucht ihr mitten am Tag hier zusammen auf? Und im Rosenbusch seid ihr auch gewesen?“
Robert saß schon mit geöffneter Keksdose am Tisch und aß einen knusprigen Haferflockenkeks nach dem anderen. „Allerdings. Ich brauchte was Süßes nach dem Schrecken und brauche immer noch Zucker in rauen Mengen, wie du siehst.
Weitere Kostenlose Bücher