Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
Diesmal ist Miri zu weit gegangen, obwohl ich in der Sache sagen muss, eigentlich hatte sie Recht. Nur an der Ausdrucksform ihres Protestes muss sie noch arbeiten. Sie hat eine Lehrerin beleidigt und angespuckt!“
„ Angespuckt?“ Fassungslos griff ich ebenfalls tief in die Keksdose. Das war ja eine ganz neue Dimension. „Warum?“
„ Miri hat Murat verteidigt. Die Liebrecht, die alte Schrulle, hat ihn schon wieder vor Mitschülern blamiert. Du weißt ja, er ist etwas seltsam und empfindlich.“
„ Ja, er gehört zu den - wie sagt er es immer - „Bewohnern des autistischen Kontinuums“.
„ Genau. Du kennst ja Miris Beschützerinstinkte. Aber das war noch nicht alles.“ Roberts Gesicht verfinsterte sich. „Frau Liebrecht hat Miranda auch schwer beleidigt, sie nannte sie Satanschlampe.“
„ Was? Was fällt ihr ein? Das ist doch …“
„ Genau. Das lassen wir uns nicht gefallen. Ich habe der Rektorin klipp und klar gesagt, was ich davon halte, und dass wir nur dann von einer Anklage wegen Beleidigung absehen werden, wenn die Lehrerin sich im Gegenzug bei Miri entschuldigt. Und unser Fräulein Tochter muss sich natürlich auch in aller Form bei der Frau Liebrecht entschuldigen. Das habe ich ihr schon klar gemacht, als wir im Rosenbusch saßen.“
Der Kaffee duftete alsbald in der Kanne. Ich stellte die Maschine ab und goss uns beiden ein. Für mich allerdings ohne „Verstärkung“. Obwohl, ich muss zugeben, ein Schuss Rum im Kaffee wäre an diesem Tag von Vorteil gewesen. Dieses Kind kostete mich noch den letzten Nerv.
„ Wie geht es eigentlich deiner Freundin?“ Robert pustete über der Tasse, denn der Kaffee war sehr heiß, und schlürfte dann vorsichtig die überzuckerte, warmwürzig nach Zimt duftende, schwarze Brühe in sich hinein. Fasziniert sah ich zu, wie seine Stirnfalten sich kontinuierlich glätteten. Es hatte jedes Mal denselben Effekt.
„ Es geht ihr besser. Wenn die Wundheilung weiterhin so gut voranschreitet, kann sie zum Wochenende entlassen werden.“
„ Das ist erfreulich.“
„ Was ist mit dem Kundentermin? Hast du den Auftrag bekommen?“
„ Den Termin musste ich wegen Miri nach hinten schieben. Aber der Kunde war dann doch schon weg, als ich endlich ankam. Er konnte oder wollte nicht länger warten, nehme ich an. Ich werde ihn heute noch anrufen und einen neuen Termin vorschlagen.“
Robert nahm sich eine weitere Handvoll Kekse. Ich stand auf und holte aus meiner Handtasche die Kontoauszüge des Firmenkontos.
„ Ich war heute auch bei der Bank.“ Angespannt legte ich die Auszüge des Firmenkontos auf den Tisch.
„ Aber das wollte ich doch machen! Es ist nicht nötig, dass du…“ Robert griff danach und sagte dann leise: „Ach, was soll´s. Ich hätte es dir längst sagen sollen.“
„ Allerdings. Seit wann sind wir nicht mehr offen zueinander? Das Konto ist tief in den Miesen. Ich habe eine Weile gebraucht, um zu verstehen, dass da ein Minus vorneweg steht und kein Plus. Wie konnte das passieren?“
Robert sackte ein wenig in sich zusammen. „Es kam eines zum andern seit dem letzten Jahr. Die häufigen Reparaturen am Lieferwagen, Zahlungsverzögerungen, zwei Kunden haben gar nicht gezahlt, auf die Mahnungen haben sie nicht reagiert. Die Strompreise sind gestiegen, aber das Gewächshaus brauchen wir ja. Naja, dann haben wir die Mädels neu eingekleidet, die Heizung musste repariert werden und wir haben eine neue Waschmaschine kaufen müssen.“
„ Wie hoch sind denn alle Außenstände? Hast du das schon einem Anwalt übergeben?“
„ Nein, denn wir können den Anwalt nicht bezahlen. Ich habe die Rechtsschutzversicherung vor zwei Jahren gekündigt und wollte zu einer anderen wechseln, aber irgendwie habe ich das dann im Trubel vergessen.“
Jetzt brauchte ich tatsächlich einen Schuss Rum. Wie konnte er nur so nachlässig sein? Ich kramte im Küchenschrank nach der kleinen 0,1 Liter Flasche, die ich zum Backen eines Rumrosinenmohnkuchens hatte nehmen wollen. Wo zum Geier war sie? Dann fiel mir ein, dass ich sie neulich Hannah gegeben hatte, als sie ein Rezept aus dem hauswirtschaftlichen Unterricht nachkochen wollte. Verflixt aber auch.
„ Was suchst du?“ fragte Robert.
„ Ach nichts. Nicht so wichtig.“
Ich atmete tief durch und setzte mich wieder an den Tisch. „Wie soll es nun weitergehen? Eine so große Summe bekommen wir durch meine Arbeit so schnell nicht zusammen.“
„ Natürlich nicht. Das soll auch nicht deine Sorge sein. Du
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