Melissas Welt (Mira und Melissa) (German Edition)
freundlichen Laute, bis es ihnen bei mir langweilig wurde, denn der Eimer mit den Pellets war mittlerweile leergefuttert. Die Damen, wie ich sie gerne nannte, verteilten sich wieder über die verschneite Wiese und ich betrachtete gedankenverloren ihre dicken Hintern, die bei jedem Schritt grazil hin und her wiegten.
Ich ließ meinen Blick über die Obstbäume streifen, die aussahen, als wären sie mit Zuckerguss überzogen. Es war so schade, aber wenn wir die Alpakas hier weiter in der Nähe des Hauses halten wollten, dann mussten wir die Anzahl der Bäume stark reduzieren, denn Obst war nicht gut für die Tiere. Wir hatten im Herbst das Fallobst so gut es ging immer wieder aufgesammelt, aber einige Äpfel und Pflaumen waren doch in die Mägen gewandert, was leicht zu einer Magenübersäuerung oder gar Magengeschwüren hätte führen können. Sebastian hatte uns davor gewarnt. Einer seiner Hengste war deswegen an Magengeschwüren erkrankt und später an einem Magendurchbruch verendet. Irgendjemand, der gutmeinend, aber unwissend gewesen war, musste ihn mit Obst und Gemüse über den Zaun hinweg gefüttert haben. Auch litten die Bäume unter dem Abknabbern der Rinde. Da mussten wir uns wirklich was einfallen lassen. Das Abholzen wäre die einfachste Lösung. Dann hätte ich auch nicht mehr diese Mengen an Obst auf einmal zu verarbeiten. Ich würde eben Äpfel und Pflaumen kaufen. Das Holz könnten wir ja im Kamin verheizen. Aber wer von uns sollte zehn Bäume fällen und zu Kleinholz machen? So viel Arbeit! Das konnten Matthias und Robert doch nicht nebenbei machen. Die Auftragslage hatte sich gebessert, auch unser Kontostand. Und nun noch die zwei großen Feng Shui-Gärten, die in der Planung waren. Im März sollten die Arbeiten daran beginnen. Nur noch ein Vierteljahr. Hannah hatte sich in die Thematik schnell eingearbeitet und wusste mittlerweile mehr als ihre Eltern über diese alte Harmonielehre.
Flöckchen, das weiße Alpaka, war zu mir zurückgekehrt und stupste den Eimer an. „Du, da ist wirklich nichts mehr drin. Ich schwöre.“ Lachend kraulte ich ihr hinter den Ohren das Fell und versuchte dann, ihren kuscheligen Hals in einem Aufschwall von Sympathie zu umarmen. Aber das ging Madame zu weit, und sie machte einen Satz zur Seite. Ich fiel fast hin, aber das machte mir nichts aus. Selber schuld, wenn ich unbedingt aufdringlich werden musste. Ich merkte nun, meine Füße wurden bedenklich kalt. Ich musste wieder ins Haus. Wo blieb er nur? Das Füttern war nur ein Vorwand gewesen, der wahre Grund meines Aufenthaltes hier war der „Heujunge“. Ich wollte ihn sehen und möglichst unauffällig sprechen. Schließlich küsste er meine Tochter! Kurz bevor ich das Warten aufgeben wollte (schließlich machte es einen seltsamen Eindruck auf die Nachbarn, wenn ich mitten im tiefsten Winter auf der Weide die Vogelscheuche spielte), kam der Lieferwagen um die Ecke gefahren und hielt schließlich am Tor, wo damals auch der Tiertransporter gestanden hatte. Ein junger Mann stieg aus und begann, Heuballen übers Gatter zu werfen. Bevor ich auch nur halbwegs am Tor war, um es zu öffnen, war er schon flink darüber geklettert und fuhr das Heu mit unserer Schubkarre zum hölzernen Unterstand.
„ Hallo, junger Mann“, eröffnete ich das Gespräch. „Sind Sie das, der hier regelmäßig das Heu bringt?“
Der blonde Hüne, er musste wohl wenigstens 1,98 m groß sein und so um die 20 Jahre alt, nickte freundlich und bedachte mich mit einem leisen „Hallo“ und fuhr fort, die Heuballen zu transportieren. Ich wusste jetzt nicht, soll ich ihm hinterherlaufen zwischen Zaun und Unterstand oder soll ich stehenbleiben? Mir war nun doch alles etwas unangenehm, aber schließlich stand ich nicht zum Spaß hier im Schnee. Ich entschied mich für Stehenbleiben und nutzte die Zeit, ihn gründlich unter die Lupe zu nehmen: 1.) ein Riese, fürwahr, 2.) nordischer Typ durch und durch, 3.) schweigsam und verdammt gut gebaut, soweit die Winterkleidung das durchblicken ließ. „Äh, bleiben Sie doch bitte mal kurz stehen.“ Er beförderte mit Schwung einen großen Heuballen in die Ecke des Unterstandes, als wäre es nur ein Paket Wäsche.
„ Ja? Was kann ich für Sie tun?“
4.) Höflicher Umgangston, ergänzte ich in Gedanken. „Ähm, ja, ich wollte sagen, dass wir ab der nächsten Lieferung mehr Heu brauchen, zwei Ballen mehr, schätze ich mal. Würden Sie das bitte Ihrem Chef ausrichten?“
Er lächelte sanft und nickte zur
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