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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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Haupt, – ward das herniedergebeugten Melmoth ansichtig, – warf einen Blick auf ihres Bruders blutdurchtränkten Busen, – und sank zurück, von seinem Blut gerötet.
    Sofort stand Melmoth aufrecht: unter den Gästen hatte es einige feindselige Bewegungen gegeben. Er warf einen kurzen, lähmenden Blick auf die Umstehenden, – und abermals stand jeder wie erstarrt, die Hand am Degengriff, doch nicht imstande, die Klinge blank zu ziehen, und sogar die Diener hielten weiterhin die Fackeln in bebenden, doch angstgelähmten Händen, als formten unwillkürlich und voll Ehrfurcht den Fremden sie ein loderndes Spalier. So ging er unbelästigt zwischen ihnen auf Aliaga zu, der starr vor Schrecken zu Häupten seiner beiden Kinder stand.
    ›Elender Alter‹, sprach er ihn jetzt an und wartete, bis der unselige Vater den glasig aufgerissnen Blick auf ihn gerichtet hatte und in solchem Sprecher den Fremden nun erkannte, den Gefährten, der ihn auf jener fürchterlichen Reise vor vielen Monaten begleitet hatte. ›Elender Alter, warst du nicht gewarnt? Und schlugst doch meine Worte in den Wind! Beschworen hab’ ich dich, du mögest eilen, die Tochter vor dem Untergang zu retten, – ich kannte ja wie keiner die Gefahr! Dir aber war’s bloß um dein Gold zu tun. So wäg denn jenen eingetauschten Plunder – wäg ab ihn gegen jenes pure Erz, das du so achtlos dafür hingegeben! Ich selbst stand zwischen mir und meinem Opfer , – ich warnte, – drohte, – hätt’ ich flehen sollen? Elender Alter – sieh nun das Ergebnis!‹ Und langsam wandte Melmoth sich zum Gehen.
    Ein unwillkürliches Gemurmel entsetzten Abscheus, halb stöhnend und halb zischend hervorgestoßen, begleitete solchen Abgang, und der Priester rief mit einer Würde, welche sich mehr seinem Amt als seinem Charakter verdankte, hinterher: ›Heb dich hinweg, Verfluchter, verstör uns hier nicht länger, sondern geh, – fluchend und auch fernhin zu fluchen!‹
    ›Ich geh’ als Sieger, fernerhin zu siegen!‹ versetzte Melmoth wild und triumphierend. ›Ihr Elenden, die ihr durch eure Laster und Leidenschaften, eure eignen Schwächen, mir sämtlich noch zum Opfer fallen werdet, beschimpft an meiner Statt euch lieber selbst! Ihr würdet, Helden die ihr seid im Laster, doch feig, sobald’s euch an den Kragen geht, an Ort und Stelle mir zu Füßen sinken, die Unverletzlichkeit mit mir zu teilen, mit welcher ich mich unter euch bewege! – So geh’ ich denn, verflucht von aller Herzen, jedoch von keines Menschen Hand berührt!‹
    Dieweil er sich langsamen Schrittes entfernte, erhob sich ein gedämpftes Gemurmel unwillkürlichen und ununterdrückbaren Hasses und Entsetzen unter der Menge. Er aber schritt durch sie hindurch, indem er sie drohend musterte, dem Löwen vergleichbar, der da eine kläffende Hundemeute anblickt. Dann verschwand er, – unbelästigt, – unangegriffen. – Kein Degen wurde gezogen, – kein Arm erhoben, – das Zeichen war auf seiner Stirn, und jene, die da lesen konnten, sie wußten, daß alle Menschenkraft dagegen nutzund machtlos war, – und jene, die da nicht verstanden hatten, ergaben sich dem untätigen Schrecken. So blieb denn jeder Degen in der Scheide, da Melmoth diesen Garten nun verließ. ›Laßt ihn der Rache Gottes!‹ – Dies war alles, was hinter dem Verschwindenden man rief.
    ›In schlimmre Hände könnt ihr ihn nicht geben!‹ rief der Pater José. ›Er fällt gewißlich der Verdammnis anheim, – und – irgendwie ist dies doch ein kleiner Trost für solch geschlagene Familie!«

DREIUNDDREISSIGSTES KAPITEL
    Nunc animum pietas, et materna nomina frangunt. [25]

     
    »Innerhalb weniger als einer halben Stunde war in Aliagas prächtigen Gemächern und erleuchteten Gärten der Hall keines einzigen Schrittes mehr zu hören. Bis auf einige wenige, welche sich noch aus Neugierde oder auch aus Gründen der Menschlichkeit verweilten, will sagen, um den schmerzgebeugten Eltern Zuspruch zu spenden oder aber Zeuge ihres Schmerzes zu sein, waren alle gegangen. Der so üppig geschmückte Garten bot nun einen Anblick, welcher aufs grausigste mit den noch darin verbliebenen Gestalten und der gesamten Szene kontrastierte. Die Domestiken standen gleich Statuen, die lodernden Fackeln noch immer in Händen, – Isidora lag neben dem blutigen Leichnam ihres Bruders hingestreckt. Da man aber Anstalten machte, denselben hinwegzuschaffen, klammerte sie sich mit solcher Kraft an ihn, daß es einiger Anstrengung bedurfte, die Lebende

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