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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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von dem Toten zu trennen. – Aliaga, welcher bisher kein Wort hervorgebracht, ja kaum Atem geschöpft hatte, fiel auf die Knie, um seine halb besinnungslose Tochter zu verfluchen, – Donna Clara aber, in deren Busen ja noch immer das Herz eines Weibes schlug, streifte angesichts dessen alle Furcht vor ihrem Ehegemahle ab und fiel ihm, dieweil sie neben ihm auf die Knie sank, in die erhobenen Arme, aus Leibeskräften bemüht, jene Verwünschung hintanzuhalten, – und Pater José schließlich, welcher als einziger von allen Anwesenden irgendwelche Anzeichen von Sammlung und normalem Denkvermögen verriet, wandte sich wiederholt an Isidora mit der Frage: ›So bist du denn vermählt, – wirklich und wahrhaftig vermählt mit jenem fürchterlichen Wesen?‹
    ›Ich bin ihm vermählt!‹ antwortete das arme Opfer, sich von der Seite ihres toten Bruders erhebend. ›Ich bin ihm vermählt!‹ wieder holte sie, blickte auf ihre prächtige Robe hernieder und breitete dieselbe mit schrecklichem Auflachen vor dem Pater aus. In diesem Moment wurde vernehmlich an die Gartenpforte gepocht. Ich bin ihm vermählt!‹ schrie Isidora da auf ›und hier kommt mein Trauzeuge!‹
    Dieweil sie dies sagte, schleppten einige Bauern aus der Umgebung, unterstützt von Aliagas Domestiken, einen Leichnam herbei, welcher durch den Verwesungsprozeß, dem der menschliche Körper unterworfen ist, schon so sehr entstellt war, daß nicht einmal die nächsten Anverwandten ihn wiedererkannt hätten. Isidora aber sah auf den ersten Blick, daß der Tote jener alte Diener gewesen, welcher in der Nacht ihrer schrecklichen Vermählung auf so rätselhafte Weise verschwunden war. Die Bauern hatten den Leichnam erst am Abend des Festes aufgefunden. Er war so zerschmettert, als wäre er über eine Felswand hinabgestürzt worden. Lediglich an der Livree des Hauses Aliaga war er zu erkennen gewesen.
    ›So seht doch!‹ schrie Isidora mit aller Kraft der Verstörung ›dies ist der Zeuge meiner unseligen Hochzeit!‹
    Pater José beugte sich über die unleserlichen Reste dessen, worauf einstmals die Natur ›Dies ist ein menschliches Geschöpf‹ geschrieben, heftete danach seinen Blick auf Isidora und rief in unwillentlichem Entsetzen: ›Dein Zeuge, er ist tot!‹
    Da aber die Unselige von den Umstehenden hin weggetragen werden sollte, verspürte sie, wie die ersten Wehen sie überfielen und rief aus: ›Ach, – nun wird’s auch einen lebenden Zeugen geben – wenn Ihr ihm zu leben gestattet!‹ Die Wahrheit solcher Worte stellt sich nur zu bald heraus. Man brachte Isidora auf ihr Zimmer, und wenige Stunden danach schenkte sie, nur aufs notdürftigste betreut und von den wenigen Helfern durchaus nicht bemitleidet, einer Tochter das Leben.
    Dies freudige Ereignis löste in der Familie Gefühle aus, welche so lächerlich wie entsetzensvoll waren. Aliaga, welcher seit seines Sohnes Tod in einem Zustand geistiger Apathie verharrt war, tat bloß den einen Ausspruch: ›Man übergebe des Zauberers Metze mitsamt ihrer verfluchten Brut den Händen des gnadenreichen und Heiligen Tribunals, man überantworte sie der Heiligen Inquisition!‹ Danach murmelte er etwas von der Konfiskation seiner Güter, doch schenkte solchem Gerede niemand Beachtung. Was Donna Clara betraf, so wurde sie hin und her gerissen zwischen dem Mitleid für ihre unselige Tochter und demjenigen, welches sie für sich selbst empfand, dieweil sie ja nunmehr die Großmutter eines kleinen Satansbratens geworden, für welchen sie das Kind von ›Melmoth dem Wanderer‹ in allem Ernst ansah. Und auch der Pater José, dieweil er dies Kind mit bebenden Händen taufte, fürchtete jeden Moment, einen entsetzlichen Paten erscheinen zu sehen, welcher mit seinem grauenvoll verneinenden Geist dies Ritual, welches im Namen von allem und jedem vollzogen wurde, was unter Christenmenschen als heilig gilt, zunichte machen werde. Indes war aber die Taufzeremonie mit einem Mangel behaftet, den der gutmütige Gottesmann hatte dreingehen lassen: nämlich, es war überhaupt kein Pate zur Stelle. Selbst der Geringste unter den Dienstleuten des Hauses hatte das Ansinnen ausgeschlagen, bei der Taufe eines Abkömmlings aus so fürchterlicher Verbindung Pate zu stehen. Die bedauernswerte Mutter hatte solche Ablehnung von ihrem Schmerzenslager aus mitangehört und liebte ihr Kind ob solch bitterer Verlassenheit nur um so inniger.
    Allein, innerhalb weniger Stunden wurde zumindest der religiösen Verstörung dieses Hauses

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