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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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du das angetraute Eheweib jenes – jenes Wesens bist, dessen bloßer Name uns eine Gänsehaut über den Leib jagt und uns die Haare zu Berge stehen macht?‹
    ›Ich bin’s.‹
    ›Wer aber war bei solcher Vermählung zugegen, und welche Hand ist’s gewesen, die es gewagt hat, diesen unheiligen und unnatürlichen Ehebund zu schließen?‹
    »Niemand war zugegen, – wir wurden in der tiefsten Finsternis getraut. Ich konnte keinerlei Gestalt erkennen, doch glaub’ ich, daß die Worte ich vernommen. Auch weiß ich, daß da eine Hand die meine in die von Melmoth legte, – und die Berührung war so kalt als wie der Tod.‹
    ›Oh, welch verworrner, rätselhafter Schrecken!‹ rief der Pater aus, indem er erbleichte und sich unter allen Anzeichen ungeheuchelten Entsetzens bekreuzte. Dann vergrub er das Haupt in den Armen und verharrte eine Zeitlang in unaussprechlicher innerer Erregung.
    ›Mein Vater‹, hub Isidora schließlich an ›Ihr kennt doch den frommen Einsiedel, welcher in den Trümmern des unweit von unserem Landsitz gelegenen Klosters haust? Er ist ja auch Priester – und also ein heiliger Mann. Er ist’s gewesen, der uns einander vermählt hat!‹ Sie hatte es mit bebender Stimme gesagt.
    ›Unseliges, bedauernswertes Opfer!‹ stöhnte da der Pater auf, ohne das Haupt zu erheben. ›Du weißt nicht, was du da gesagt hast! – Jedermann ist ja bekannt, daß jener heiligmäßige Mann in der Nacht vor deiner fürchterlichen Vermählung gestorben ist!‹
    Es folgte eine weitere Pause entsetzten Schweigens, das schließlich von dem Pater gebrochen wurde. ›Unselige Tochter‹, sprach er in feierlichem und gefaßtem Ton. ›Man hat mir gestattet, dir noch vor deinem Verhör die Heilige Beichte abzunehmen. So beschwöre ich dich denn, erleichtere deine Seele vor mir! Willst du dies tun?‹
    ›Ich will es, mein Vater.‹
    ›Und willst du meine Fragen beantworten, als stündest du vor Gottes Richterstuhl?«
    ›Jawohl. Als stünde ich vor Gottes Richterstuhl.« Mit diesen Worten warf Isidora sich vor dem Pater auf die Knie, um ihre Beichte abzulegen.

     
    ›Und hast du dir nun alles von der Seele geredet?‹
    ›Ich habe, mein Vater.‹
    Eine lange Zeit saß der Pater tief in Gedanken versunken. Hernach stellte er noch etwelche besondere Fragen in Ansehung von Melmoth’s Person, welche Isidora indes durchaus nicht zu beantworten wußte, dieweil besagte Fragen sich sämtlich jenem Eindruck von übernatürlicher Macht und Furchtbarkeit verdankten, welchen man allgemein mit der Vorstellung von Melmoth in Zusammenhang brachte.
    ›Mein Vater‹, sagte Isidora, nachdem der Pater zu Ende war, mit stockender Stimme ›mein Vater, darf ich Euch nach dem Befinden meiner unglücklichen Eltern fragen?‹ Jener aber bewegte bloß verneinend das Haupt und blieb stumm.
    Schließlich aber, gerührt durch die Seelenqual, mit welcher Isidora auf ihrer Frage beharrte, bedeutete er ihr voll Widerstreben, sie möge sich doch selbst die Wirkung ausmalen, welche der Tod des Sohnes sowie die Einkerkerung der Tochter in den Mauern der Heiligen Inquisition auf ein Elternpaar üben müsse, welches um seines Eifers für den katholischen Glauben nicht weniger bekannt sei als um der Liebe willen, die es seinen Kindern entgegengebracht.
    ›So sind sie am Leben?‹ fragte Isidora.
    ›Spar dir die Qual aller weiteren Fragen, meine Tochter‹, antwortete der Pater ›und sei gewiß, ich hielte mit der Antwort nicht zurück, könnte ich dir mit derselben Trost spenden.‹
    In diesem Moment wurde eine Glocke in einem entfernten Teil des Gebäudes angeschlagen. ›Dies Geläut‹, sprach der Pater ›es kündigt an, daß die Stunde deiner Vernehmung nicht mehr ferne ist. – So leb denn wohl, und die Heiligen mögen mit dir sein!‹
    ›Haltet ein, mein Vater, – nur noch eine Sekunde – eine einzige Sekunde!‹ rief Isidora, indem sie sich voll Seelenangst zwischen den Hinausgehenden und die Tür warf. Pater José blieb stehen. Isidora sank vor ihm auf die Knie und rief, indem sie das Antlitz in den Händen vergrub, mit qualerstickter Stimme: ›Mein Vater, glaubt Ihr, daß ich – glaubt Ihr mich auf ewiglich verloren?‹
    ›Meine Tochter‹, sprach da der Gottesmann mit schwerem Tonfall und bekümmerter, zweifelnder Stimme ›meine Tochter – ich habe dir allen Trost gespendet, den zu spenden in meiner Macht lag. Verlange keinen weiteren von mir, auf daß nicht jener, den ich dir (mit vielen Gewissensbissen) schon gegeben, wieder

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