Melmoth der Wanderer
Tölpel kommt, um eines andern Weib zum Weib zu nehmen. Doch noch nicht genug: mit ihm kommt auch dein ungestümer Bruder, der auszog solche Sippschaft zu empfangen, dieweil im Haus man zum Gelage rüstet, um deine Hochzeit nach Gebühr zu feiern! – Doch wird zur rechten Zeit, du sollst es sehn, ein sonderbarer Gast zum Fest erscheinen: – Ich werde da sein! ‹
Isidora stand vor Entsetzen wie gelähmt. ›Gelage!‹ wiederholte sie ›– ein Hochzeitsgelage! – Und ich, dein Eheweib, und kurz vor meiner Niederkunft!‹
In diesem Augenblick wurde das Hufgetrappel vieler, dem Landsitz sich nähernder Reiter hörbar, – der Lärm der Dienstboten, welche den Ankömmlingen entgegeneilten, um ihnen behilflich zu sein, scholl durch das ganze Haus, – und gleich darauf empfahl sich Melmoth mit einer Handbewegung, welche mehr einer Drohung als einem Abschiedswinken glich. Und noch innerhalb der nächsten Stunde kniete Isidora vor einem Vater, den sie nie zuvor erblickt hatte, – mußte sie es leiden, von Montilla begrüßt zu werden, und wurde auch von ihrem Bruder umarmt, welcher in seiner gereizten Verfassung die kühle und veränderte Gestalt, die zur Begrüßung auf ihn zugetreten, mit solcher Umarmung eher zurückstieß.
Aliaga ging über der nahenden Erfüllung jener glückhaften Pläne, an denen er so lange geschmiedet, das Herz auf, und mit dem Herzen auch seine Börse, welche ja sein ein. und alles war, so daß er beschloß, zu Ehren der Vermählung seiner Tochter ein glänzendes Fest zu geben. Dies gemahnte Isidora an Melmoth’s Voraussage solch fatalen Gelages sowie an seine Worte ›Ich werde da sein‹, welche sie vorübergehend mit einer Art entsetzter Zuversicht erfüllten. Da aber buchstäblich vor ihren Augen all die Zurüstungen vorangetrieben wurden, und man ihr stündlich in den Ohren lag mit all den Fragen nach den von ihr etwa gewünschten Dekorationen sowie nach der Ausschmückung der Gemächer, begann ihre Gefaßtheit sie zu verlassen, so daß sie, dieweil ihr das Entsetzen im Gesicht geschrieben stand, lediglich zusammenhanglose Wörter hervorbrachte.
Es sollte ein Maskenball gegeben werden, und Isidora, welche sich in der Hoffnung wiegte, dies könnte für Melmoth eine aussichtsreiche Gelegenheit sein, ihre Entweichung ins Werk zu setzen, harrte vergebens eines hoffnungsvollen Hinweises, – irgendeiner Anspielung darauf, daß solches Ereignis ihre Befreiung aus der sich tödlich sich um sie zusammenziehenden Schlinge befördern könnte. Niemals erwähnte Melmoth ein diesbezügliches Wort, und so wurde ihr Vertrauen in ihn durch dies schreckliche Schweigen abwechselnd befestigt und in seinen Grundfesten erschüttert.
In einem dieser letzteren Momente rief sie in einer Seelenangst, welche bis zur Unaussprechlichkeit gesteigert wurde durch die Gewißheit, daß jene Schwere Stunde nahe bevorstehe, ihrem Gemahl zu: ›So nimm mich doch mit dir! – Nimm mich mit dir, nur fort von solchem Ort! Was ist denn mein Leben, – nicht mehr denn ein Schall und Rauch, der bald dahin sein wird! Mein Verstand aber ist aus äußerste bedroht! Ich kann all dem Schrecklichen, welchem ich da ausgesetzt bin, nicht länger widerstehen! Ach, Melmoth, vermagst du mich schon nicht länger zu lieben, so hab doch Mitleid mit mir! Errette mich aus dieser unaussprechlich fürchterlichen Lage! Erbarm dich unsres Kindes, wenn du dich meiner nicht erbarmst! Du hast von deiner Macht gesprochen, in diese Mauern unverdächtig, ja unbemerkt eindringen zu können, du hast dich jenes Schleiers des Geheimnisses gerühmt, darein du dich allzeit zu hüllen vermagst. Ach, so hüll doch auch mich in dieser Stunde meiner äußersten Not in dessen ungeheuerliche Falten, laß mich darin entweichen, und wären’s gleich die Falten meines Leichentuchs! Ach, wenn du wirklich und wahrhaftig jene rätselhafte Macht besitzest, nach der ich nicht zu fragen, an die ich nicht zu glauben wage, so übe sie für mich in dieser fürchterlichen Lage, – setz meine Flucht ins Werk!‹
Melmoth folgte solcher Rede mit dem profundesten Schweigen und der gespanntesten Aufmerksamkeit. Schließlich sprach er: ›So lieferst du dich gänzlich an mich aus?‹
›Ach, hab’ ich dies nicht längst getan?‹
›Antworte nicht mit einer Gegenfrage! Willst du, indem du alle andre Bindung und alle Hoffnung aufgibst, künftig nur mir selber angehören, wenn ich dich aus deiner fürchterlichen Not befreie?‹
›Ich will, – ich tue alles, was du
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