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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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Entsetzliches schwang in diesen Worten, und so schrie ich auf: ›Ist’s der Leibhaftige selbst, welcher mich da versucht?‹
    Kaum hatte ich diesen Aufschrei getan, so stürzte auch schon ein Mönch vom Gang herein (wo er offensichtlich bereit gestanden, weil er seine Kutte anhatte). Er rief: ›Was geht hier vor? Du hast mich durch dein Geschrei in Angst versetzt, hast den Namen des höllischen Teufels genannt, – was ist’s, das du erblicktest? Wovor fürchtest du dich so?‹
    Ich erholte mich von meinem Schrecken und sagte: ›Ich habe nichts Besonderes gesehen noch gehört. Es war nur ein Alptraum. Ach, Bruder Sankt Joseph, ist’s denn ein Wunder? Wie sollten nach solchen Tagen mir nicht auch die Nächte verstört sein?‹ Solcher Bescheid schien ihn im Moment zu beeindrucken, doch er zog sich mit den Worten zurück, daß er, im Falle diese nächtlichen Störungen in meiner Zelle fortdauerten, dem Pater Superior davon Kunde geben müßte. Darauf sagte ich bloß, daß diese Störung nicht von mir ausgehe – und zitterte dabei schon vor der kommenden Nacht.
    Ich hatte in der Tat auch allen Grund dazu. Noch vor dem Zubettgehen sagte ich ein Gebet ums andere her, weil mir das Furchtbare meiner Exkommunikation schwer genug auf der Seele lag. Dieweil ich aber diese Gebete, welche sehr lang und weitschweifig sind, vor mich hinsagte, übermannte mich ein Schlaf, welcher jedoch nur von kurzer Dauer sein sollte. Abermals weckte mich jene flüsternde Stimme ganz in meiner Nähe. Da ich sie aber vernahm, erhob ich mich ohne Furcht von meinem Lager und schlich barfuß und mit ausgebreiteten Armen in meiner Zelle umher. Allein, nichts bot sich meinen Händen als die kahlen Mauern. Kein Ding, was außer ihnen fühlbar oder schaubar gewesen wäre, geriet mir in dem Weg. So legte ich mich wieder hin und hatte noch kaum mit jenem Gebet begonnen, darin ich Stärke zu finden hoffte, als mir auch schon die nämlichen Flüsterlaute ins Ohr klangen, ohne daß es mir möglich gewesen wäre, ihre Herkunft zu ermitteln oder sie zum Verstummen zu bringen. So wurde ich allen Schlafes beraubt, und schlummerte ich dann, und wann dennoch ein, so durchraunten diese schrecklichen Laute auch noch meine Träume. Vor Schlaflosigkeit ward ich von einem Fieber befallen. Meine Nächte verbrachte ich mit diesem beständigen Geflüster im Ohr, oder aber im Vorgefühl solcher Stimme, meine Tage hingegen mit den aberwitzigsten Mutmaßungen oder in angstvoller Erwartung. Mit einer Mischung aus Schrecken und Ungeduld harrte ich dem Hereinbrechen der Nacht entgegen. Ich wurde das Gefühl nicht los, daß hier ein schändlicher Betrug ins Werk gesetzt wurde, doch ich vermochte darin keinen Trost zu finden, denn es gibt einen Punkt, an welchem die menschliche Bosheit und Niedertracht sogar diejenige eines Teufels beschämt. Nacht für Nacht wurde die Bedrängung wiederholt, und Nacht für Nacht nahm ihre Schrecklichkeit zu. Bisweilen wurden mir von jener Stimme die verderbtesten Unkeuschheiten zugemutet, bisweilen aber flüsterte sie mir so lästerliche Dinge ins Ohr, daß dieselben sogar einen Teufel das Zittern gelehrt hätten. Dann wiederum spendete sie mir höhnischen Beifall und versicherte mich meines schließlichen Erfolges in meinem schwebenden Gerichtsverfahren, um gleich darauf zu den erschreckendsten Drohungen überzuwechseln. Das armselige bißchen Schlaf, welches mir in den Pausen solcher Heimsuchung vergönnt war, erwies sich als alles andere als erholsam. Beim Erwachen fand ich mich stets in kaltem Schweiß gebadet und an mein Bettgestell geklammert, während ich mit unartikulierter Stimme die letzten Worte wiederholte, welche noch in mein sich ihnen verschließendes Ohr gedrungen waren. Und von einem solchen Nachtlager auffahrend, sah ich mich jedesmal von den Mönchen umgeben, welche mich umstanden und mir versicherten, daß sie durch mein Geschrei aus dem Schlafe geschrocken und voll Entsetzen herbeigeeilt wären. Danach tauschten sie untereinander angstvolle, konsternierte Blicke und bedachten auch mich damit, Wobei sie etwa sagten: ›Irgend etwas Sonderbares ist hier im Gange, irgend etwas bedrückt dein Gemüt, du aber willst dich seiner Last nicht begeben.‹
    Es kam eine Nacht, da ich ziemlich lange wachlag, ohne einen Laut zu vernehmen. Ich fiel in einen Schlummer, wurde aber alsbald geweckt durch eine ungewöhnliche Lichterscheinung. In meinem Bett mich aufsetzend, erblickte ich vor mir die Heilige Mutter Gottes in all der

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