Melmoth der Wanderer
Worte der Klage, des Einspruchs, der Bitte. Allein, ich weigerte mich so standhaft, als hätte ich schon gewußt (was nicht der Fall war), daß der Bischof, in Ansehung der verworrenen Zustände in dem Kloster, dessen Visitation von sich aus beschlossen hatte. Daß also nicht der Pater Superior den Bischof gebeten, die Ursache solcher klösterlichen Verstörung zu prüfen (was ihm wohl zu allerletzt in den Sinn gekommen wäre), sondern daß der Bischof Wind bekommen hatte von dem Ärgernis in diesem Kloster, und nun willens war, die Sache in die eigenen Hände zu nehmen. In all meiner Verlassenheit und Drangsalierung wußte ich nichts davon, daß ganz Madrid in hellem Aufruhr begriffen, ja daß der Bischof entschlossen war, den außergewöhnlichen Vorgängen, welche gerüchtweise in diesem Kloster sich abspielten, nicht länger ein untätiger Zuhörer zu sein.
Um der bloßen Menschenwürde willen, aus der Scheu, die Gebote des Wohlanstands zu verletzen sowie auch aus der Besorgnis, vor Euch, teuerster Senor, als ein Lügner zu erscheinen, will ich unterlassen, Euch all die Methoden herzuzählen, welche man noch am Morgen des nämlichen Tages, für welchen der Bischof sich angesagt hatte, gegen mich zur Anwendung brachte, um mir das rechte Aussehen einer vom Teufel besessenen, wahnwitzigen und lästerlichen Kreatur zu verleihen. Die von mir schon mehrmals erwähnten vier Mönche waren die eigentlichen Henkersknechte (ich kann sie nicht anders bezeichnen). – Unter dem Vorwand, daß nichts an meinem Körper sei, worin der Böse Geist sein Domizil nicht aufgeschlagen hätte, ergriffen sie mich ...
Doch damit nicht genug. Man überschüttete mich auch noch bis an den Rand des Erstickens mit Weihwasser. Und was danach folgte, das war – genug davon!
Das Ende war, daß ich, zur Hälfte entblößt und nahezu ertränkt, unter Keuchen und Würgen dastand, sowie vor Wut, Scham und Angst nahezu um den Verstand gebracht war, als ich vor den Bischof gerufen wurde, welcher, umgeben von dem Pater Superior und der gesamten Bruderschaft, unten in der Kirche auf mich wartete. Jetzt hatten sie mich soweit, wie sie mich haben wollten, – und so gab ich mich denn in ihre Hände.
Ich breitete die Arme und sprach: Jawohl, reißt mir die Kleider nur vom Leibe, treibt mich hinein in den Wahnsinn – tut der Heiligen Religion wie der Natur Gewalt an in meiner mißhandelten Gestalt – und zerrt mich danach vor den Bischof. Ist er aber ein Mann der Wahrheit, besitzt er ein Gewissen, dann wehe über euch, ihr heuchlerischen, tyrannischen Schurken! Halb wahnsinnig habt ihr mich gemacht! An den Rand des Todes gebracht durch all die Grausamkeiten, welche ihr mir zugefügt habt! Und in solchem Zustand schleppt ihr mich nun vor den Bischof! So sei es denn, ich muß mich euch fügen.‹ Während ich diese Worte sprach, fesselten sie mir die Arme und Beine mit Stricken und schleppten mich danach zur Kirche hinunter, an deren Eingang sie mich aufstellten, wobei sie sich ganz nahe hinter mir hielten. Der Bischof befand sich assistiert von dem Pater Superior, vor dem Altar. Die Bruderschaft drängte sich dahinter im Kirchenchor. Meine Schergen warfen mich zu Boden wie ein Bündel Fetzen und flohen danach aus meiner Nähe, als fürchteten sie, sich durch jede weitere Berührung meiner Person zu besudeln.
Solcher Anblick erschütterte den Bischof, und er sprach mit lauter Stimme: ›Steh auf, Unglücklicher , und tritt näher!‹
Ich aber gab ihm in einem Ton, welcher ihm durch Mark und Bein zu gehen schien, zur Antwort: ›Gebietet jenen, erst meine Fesseln zu lösen, und ich will Euch gehorchen.‹
Der Bischof warf einen kalten, ja zornig-entrüsteten Blick auf den Pater Superior, welcher sogleich zu ihm trat und eine Erklärung flüsterte. Diese geflüsterte Beratung wurde eine Zeitlang fortgeführt.
Indes, wie ich auf dem Boden lag, konnte ich bemerken, wie der Bischof bei jedem weiteren Wort des Pater Superior mißbilligend den Kopf schüttelte, und das Ergebnis der Besprechung war der Befehl, mich meiner Fesseln entledigen zu lassen. Solches verschaffte mir jedoch keine sonderliche Erleichterung, weil ja jene vier Mönche weiterhin um mich waren. Sie hielten mir die Arme fest, während sie mich die Altar stufen hinaufführten. Erst als der Bischof sprach: ›Tretet zur Seite – laßt ihn allein kommen‹, waren sie gezwungen, diesen Worten zu gehorchen.
Zitternd trat ich zum Altar und kniete davor
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