Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
Vom Netzwerk:
er hinzu: ›Wir bitten um die Fürsprache der gesamten Bruderschaft für einen Mönch, welcher, von Gottes Atem verlassen, im Begriff steht, eine Handlung zu begehen, die dem HErrn zur Schmach, der Heiligen Kirche zur Schande und dem Betreffenden selbst zur ewigen Zerstörung seines Seelenheils ausschlagen muß.‹ Ob dieser entsetzlichen Worte erschauderten alle und ließen sich wieder auf ihre Knie fallen. Ich tat es ihnen gleich, doch der Pater Superior nannte mich beim Namen und rief mit hallender Stimme: ›Erhebe dich, Nichtswürdiger! Steh auf und besudle nicht länger die Weihe dieses Raumes mit deinem unheiligen Atem!‹
    Zitternd und zutiefst beschämt erhob ich mich und schlich in meine Zelle zurück, in der ich blieb, bis ich von einem Mönch ins Sprechzimmer gerufen wurde, um dort den Advokaten zu treffen, welcher mich schon erwartete. Doch kamen wir, wegen der Gegenwart eines Mönches, der im Auftrag des Pater Superior unserer Unterhaltung als Zeuge beiwohnte, nicht voran. Auch der Advokat konnte den Ungebetenen nicht aus dem Zimmer weisen. Sobald wir näher auf die Sache eingingen, unterbrach jener Mönch uns mit der Erklärung, seine Pflicht gebiete es ihm, solche Verletzung der Sprechzimmergepflogenheiten nicht zu gestatten. Beschränkte ich mich aber auf die Tatsachen, so redete er dazwischen, bezichtigte mich wiederholt der Lüge und brachte den gesamten Plan unserer Zusammenkunft dermaßen durcheinander, daß ich zuletzt in reiner Notwehr von meiner Bestrafung zu reden begann, welche unser Störenfried nicht ableugnen konnte und für die mein bleiches Aussehen genug Zeugnis ablegte. In dem Moment, da ich davon zu sprechen begann, verstummte der Mönch denn auch (merkte sich aber jedes Wort, um alles dem Pater Superior hinterbringen zu können), und der Advokat hörte mit verdoppelter Aufmerksamkeit zu. Er machte sich von allem, was ich sagte, Notizen und schien dieser Sache mehr Gewicht beizulegen als ich erwartet, ja gewünscht hatte.
    Nachdem unsere Unterredung zu Ende war, suchte ich wieder meine Zelle auf. Der Advokat kam in den folgenden Tagen noch mehrere Male wieder, bis er alle für die weitere Verfolgung meines Falles nötigen Informationen beisammen hatte. Während dieser Zeit wurde ich im Kloster mit einer Nachsicht behandelt, welche keinerlei Grund zur Klage gab. Ohne Zweifel war es auch darauf abgesehen, daß ich mich nicht beklagte. Mit dem Tage des letzten Besuches aber begannen wieder alle Nachstellungen. Ich wurde wie einer angesehen, mit dem man auf keine Weise verkehren konnte, und meine Behandlung entsprach dem durchaus. Ich bin überzeugt, daß man beabsichtigte, mich das Ergebnis meiner Anrufung der Gerichte nicht mehr erleben zu lassen. Sicher ist, daß sie nichts unversucht ließen, was diese Absicht hätte verwirklichen können.
    Ich will Euch eine Schilderung von einem einzigen Tag dieses Lebens geben. Ex uno disce omnes . Morgens stieg ich die Stufen zur Kirche hinunter, um an der Matutin teilzunehmen, und kniete an der Kirchentür nieder. Ich wagte nicht einzutreten. Bei meiner Rückkehr in die Zelle mußte ich entdecken, daß man das Kruzifix daraus entfernt hatte. So machte ich mich auf den Weg zum Pater Superior, um über dieses schandbare Vorgehen Klage zu führen. Auf dem Gang trug es sich zu, daß ich einem Klosterbruder und zwei Zöglingen begegnete. Alle drei preßten sich gegen die Wand und verkrochen sich in ihren Kutten, als fürchteten sie, durch eine Berührung meiner Person beschmutzt zu werden. Ich aber sagte mit sanfter Stimme: ›Seid unbesorgt, der Gang ist breit genug.‹
    Der Klosterbruder jedoch antwortete mit dem Ruf ›Apage Satana!‹ Dann wandte er sich an die beiden Zöglinge und sprach: ›Liebe Kinder, wiederholt es mit mir, – apage Satana. Haltet euch diesen Teufel da vom Leib, welcher seine Kutte durch deren Entweihung verunglimpft.‹
    Sie taten nach seinen Worten. Und um den Exorzismus vollständig zu machen, spien sie mir, als sie sich an mir vorbeidrückten, ins Gesicht. Vor der Tür des Pater Superior angelangt, klopfte ich schüchtern an. Bei den Worten ›Tritt ein in Frieden‹ richtete ich ein Stoßgebet gen Himmel, daß sich mein Eintritt auch wirklich in Frieden vollziehen möge. Beim Öffnen der Tür wurde ich aber mehrerer Mönche ansichtig, welche sich bei dem Pater Superior versammelt hatten. Der letztere stieß, da er mich gewahrte, einen Schreckenslaut aus und bedeckte mit der Kutte die Augen. Die Mönche verstanden

Weitere Kostenlose Bücher