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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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getan!‹
    ›So rede denn.‹
    ›Man läßt mich hier verhungern. – Man verweigert mir jene Nahrung, welcher meine Natur bedarf.‹
    ›Verdienst du sie denn?‹
    ›Ob ich sie verdiene oder nicht, ich bin weder nach Gottes Gesetzen noch nach denen der Menschen zum Hungertod verurteilt. Wenn aber Ihr mich dazu verdammt, so begeht Ihr damit einen Mord.‹
    ›Und worüber hast du dich sonst noch zu beklagen?‹
    ›Über alles. Man erlaubt mir nicht, die Kirche zu betreten, – man verbietet mir, zu beten, – man hat meine Zelle ausgeräumt: Kruzifix, Rosenkranz und Weih Wasserkessel – alles hat man daraus entfernt. Es ist mir nicht einmal möglich, meine Andachten für mich allein zu verrichten.‹
    › Deine Andachten?‹
    ›Mein Vater, wenn ich auch kein Mönch bin – könnte ich nicht dennoch ein guter Christ sein?‹
    ›Indem du deine Gelübde widerrufst, hast du dich des Anspruchs auf beide Bezeichnungen begeben.‹
    ›So bin ich ganz gewiß noch immer eines: nämlich ein menschliches Wesen, und als solches –, doch nein, ich will mich nicht an Eure Menschlichkeit wenden. Ich appelliere an Eure Autorität, und zwar um meines persönlichen Schutzes willen. Heute nacht hat man meine Zellenwände mit Darstellungen des Bösen Feindes verunstaltet. Ich erwachte inmitten von feurigen Gespenstern.‹
    ›So wird es dir auch am Jüngsten Tag ergehen.‹
    ›Diese Strafe wird auch dann noch groß genug sein, sie braucht nicht schon jetzt anzuheben.‹
    ›So sind es die Hirngespinste, welche dein böses Gewissen dir vorgaukelt.‹
    ›Mein Vater, wolltet Ihr geruhen, meine Zelle zu inspizieren, so würdet Ihr die Phosphorspuren an den Wänden erblicken.‹
    › Ich soll deine Zelle inspizieren? Ich sie betreten?‹
    ›So hätte ich denn gar keine Abhilfe zu erwarten? Legt Eure Befehlsgewalt ins Mittel zum Wohl dieses Hauses, welchem Ihr vorsteht! Seid dessen eingedenk: sobald meine Anrufung der Gerichte öffentlich bekannt wird, dringen all diese Umstände zu den Ohren der Öffentlichkeit. Urteilt selbst, welchen Ruf sie dieser Gemeinschaft eintragen mögen!‹
    ›Verlaß diese Zelle!‹
    Noch am selben Abend hatte ich den Garten aufgesucht. Es war mir ungewöhnlich bang ums Herz. Seine schweren, verstörten Schläge waren wie der Pendelschwung einer Uhr, welcher uns immer näher an eine gramvolle Stunde heranführt.
    Es dämmerte schon, und der Garten war leer. Ich ließ mich im Freien auf die Knie nieder (der Garten war das einzige Bethaus, welches man mir gelassen hatte) und suchte Trost im Gebet zu finden. Allein, der Versuch schlug mir fehl, und am Ende ließ ich es sein, bloß artikulierte Sinnlosigkeiten von mir zu geben, sondern warf mich, von einer unaussprechlichen Müdigkeit des Körpers und der Seele übermannt, der Länge nach auf den Boden, wo ich ganz starr, obschon nicht empfindungslos, liegenblieb. Zwei Gestalten kamen des Wegs und gingen an mir vorüber, ohne mich zu bemerken. Sie schienen in ein ernstes Gespräch vertieft, denn die eine Stimme sagte soeben: ›Man muß zu drakonischeren Mitteln greifen. Der Vorwurf, damit so lange gewartet zu haben, ist Euch nicht zu ersparen. Die Schande der gesamten Bruderschaft wird auf Euch zurückfallen, wenn Ihr noch weiter in so törichter Milde verharrt.‹
    ›Aber seine Entschlossenheit ist ungebrochen‹, antwortete der Pater Superior (denn kein anderer war es).
    ›Jenem Mittel, das ich vorschlug, wird sie nicht widerstehen.‹
    ›Wohlan, so sei es an Euch! Doch denkt daran: ich wasche meine Hände in –‹
    Damit gelangten die beiden außer Hörweite. Ich selbst aber war durch das eben Vernommene viel weniger geängstigt, als Ihr glauben mögt. Jene, welche schon allzuviel durchgemacht haben, sind nur zu gern bereit, mit dem unglücklichen Agag auszurufen: ›Noch des Todes Bitternis – nun ist sie übertroffen!‹ Noch in der Nacht, ich hatte eben erst meinen Schlaf gefunden, wurde ich durch ein ungewöhnliches Geräusch in meiner Zelle geweckt: ich fuhr empor und hörte eine sanfte Stimme ganz in meiner Nähe flüstern: ›Bleib du nur ruhig liegen, ich bin dein Freund.‹
    ›Mein Freund? Hab’ ich denn einen? – Und weshalb einen Besuch zu solcher Stunde?‹
    ›Es ist die einzige, da mir gestattet ist, mich dir zu nahen.‹
    ›Wer aber bist du?‹
    ›Einer, den diese Mauern nimmermehr abhalten können. Einer, von dem du, hast du dich ihm erst verschrieben, Dienste erwarten kannst, welche alles Menschenmaß übersteigen.‹
    Etwas

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